Herr der Finsternis
seinem Gewicht. Wenn dies geschieht, vermischt sich das kalte Blut des Elephantos mit dem des Drachen und läßt es zu jener Substanz gerinnen, die die Apotheker sanguis draconis nennen, das heißt: Drachenblut, auch Zinnober genannt, das Maler für gewisse Farben benutzen.
Ich könnte Euch noch viele andere Geschichten erzählen, die ich von Kinguri gehört habe, und wahrscheinlich werde ich das auch. Denn er war ein weitgereister und sehr kluger Mann; und als wir uns immer öfter unterhielten, erlernte er die portugiesische Zunge und ich die der Jaqqas, und wir beide beherrschten auch die Bakongo-Sprache, so daß wir über einen großen Wortschatz verfügten und uns ohne Schwierigkeiten verständigen konnten.
Kinguri stellte mir viele Fragen über das Leben in Europa, für das er sich sehr interessierte: über unsere Könige und Kirchen, wie wir uns kleideten, welche Größe und Gestalt die Welt unserer Ansicht nach hatte, und vieles mehr. Dabei hatte ich oft Schwierigkeiten, ihm zu antworten, denn wenngleich ich auf meine Art ein gebildeter Mann bin, hatte ich seit meiner Abreise aus England kein Buch mehr in den Händen gehalten, und vieles, das ich einmal gelernt hatte, hatte ich im Verlauf so vieler Jahre vergessen.
Seine Fragen waren auch nicht oberflächlich, denn er bohrte direkt ins Herz unserer Mysterien und stellte solche wie: Warum benutzen wir Gold als Geld und nicht Eisen, wo Eisen doch das härtere und nützlichere Metall war? Und: Warum errichteten wir große steinerne Häuser, in denen wir unseren Gott anbeteten, wo Gott doch überall ist? Und: Warum hat unser Gott den ersten Mann und die erste Frau unschuldig geschaffen und dann geduldet, daß der Teufel sie mit der Sünde versuchte, und Adam und Eva dann mit Scham und Tod bestraft, wo es doch viel leichter und gerechter gewesen wäre, sie so zu schaffen, daß sie dieser Versuchung standgehalten hätten, als Er sich die Mühe machte, sie ins Dasein zu bringen? Und all dies beantwortete ich mehr oder weniger, doch was die Fragen betraf, bei denen ich selbst einige Schwierigkeiten hatte, habe ich dem Bruder des Imbe-Jaqqa durch die Festigkeit meiner Ausführungen wohl keine große Befriedigung verschaffen können.
Ich stellte Kinguri eine ähnlich tiefgründige Frage, nämlich, zu welchem Zweck die Jaqqas durch diese Länder Afrikas marschierten und alles vernichteten, was ihnen über den Weg kam. Welcher Zorn trieb sie, welche Gier nach Zerstörung? Darauf erwiderte Kinguri eine lange Zeit über nichts, so daß ich fürchtete, ich hätte ihn mit meiner Ungehörigkeit erzürnt; seine Blicke schienen sich nach innen zu wenden, und er dachte kühl und geistesabwesend darüber nach. Dann erwiderte er schließlich: »Diese Frage werde ich nicht beantworten. Du mußt sie dem Imbe-Jaqqa stellen, der in diesen Dingen unser Führer und Herr ist.«
In jenen Tagen vermied ich es noch, wenn möglich, mit Calandola solche Gespräche zu führen. Bis auf große Feste hielt er sich von dem Lager fern, und seine Anwesenheit bei einem solchen Fest erinnerte an einen rauchenden Vulkan, an einen großen, schrecklichen Vesuv, der jeden Augenblick ausbrechen und rotglühende Lavabäche über die in seiner Nähe schleudern konnte. So ließ ich diese Frage fallen und dachte mir, es sei sowieso die eines Narren gewesen; womöglich gingen die Jaqqas dem Töten und Zerstören aus reiner Freude nach und hatten gar keine anderen Gründe. Doch tief in meinem Inneren argwöhnte ich anderes.
Bei meiner Betrachtung der Welt hatte ich immer den Ein druck, daß nur wenige Völker andere des reinen Schädigens wegen bekämpften oder gar vernichteten, sondern immer bestimmte Gründe für ihr Verhalten gehabt haben, die ihnen stets im hellsten Licht der rechtschaffenen Erhabenheit leuchteten.
Und so war es auch mit den Jaqqas. Doch das erfuhr ich erst viel später.
Wir hatten Cashindcabar nun verwüstet und zogen weiter in nordöstliche Richtung. Der Weg des Imbe-Jaqqa führte ihn nun über einen Fluß namens Longa und zu der Stadt Kalungu, die am Rande der Provinz Tondo liegt. Hier verharrten wir wie zwischen zwei Welten. Denn Kalungu ist ein sehr fruchtbarer Landstrich und immer bestellt und voller Grün, eine sehr große, weite Ebene voller Reichtümer, auf der Milch und Honig zu fließen scheinen. Doch dahinter liegt diese üble Wüste, in der die Portugiesen ihr Massaker durch den Kafuche Kambara erlitten, der übrigens auch ein großer Feind der Jaqqas war. Wir lagerten
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