Herr der Finsternis
und grollte, wobei er die Augen halb geschlossen hatte, als wälze er sich in einem Traum im Blut.
Der grausame Kulambo, der ein großer Jäger war, rief denen in Bedrängnis Ermutigungen zu, schlug sich in die Hände und pries laut ihre Tapferkeit. Der nachdenkliche Machimba-lombo mit seiner dunklen Seele gab aus den Tiefen seiner Kehle leise Geräusche von sich und saß hochaufgerichtet auf seinem Platz; offensichtlich sehnte er sich danach, unten in der Menge zu sein. Selbst der nüchterne Philosoph Kinguri, der sich mit solch hohen Fragen wie denen des Glaubens, des Geldes und der Herrschaft befaßte, erwies sich nun als genauso tierhaft wie die anderen; die blutdürstige Leidenschaft des Augenblicks hatte ihn genauso eng umfaßt. Doch wir waren alle nur Zuschauer, die dazu gezwungen waren, auf unserem Gerüst zu bleiben. Dies wurde ersichtlich, als Machimba-lombo es schließlich nicht mehr aushielt, sich erhob und rief: »Ich werde zu ihnen gehen!«
»Das darfst du nicht«, sagte der Imbe-Jaqqa kalt und scharf.
»Ich bitte darum, Fürst Calandola! Ich kann nicht länger hier sitzen!«
»Der Löwenkreis ist nicht mehr für dich bestimmt«, erwiderte sein Herr. »Du bist nun einer der Hauptmänner, und du wirst hierbleiben!«
Es lag eine greifbare Spannung zwischen ihnen in der Luft: Ich sah, daß es wie bei einem angeketteten Titanen in der Kehle und der Stirn des stolzen Machimba-lombo pochte. Er bewegte sich überaus langsam, wie durch einen greifbaren Nebel, auf die Leiter zu und zitterte dabei vor Anstrengung. Calandola zischte ihm etwas zu, und Machimba-lombo blieb stehen. Er kämpfte innerlich mit sich selbst.
Kinguri berührte leichthin sein Handgelenk und sagte leise: »Komm, erfreue dich und beobachte das Geschehen. Denn bei deinem Rang steht es dir nicht zu, nach unten zu gehen, guter Freund.« Es war, als ließe man Luft aus einer angeschwollenen Blase. Machimba-lombo, den Kinguris sanfte Worte bewegt hatten, wo Calandolas Zorn nicht zu ihm vorgedrungen war, gab nach und kehrte auf seinen Platz zurück, und die Spannung legte sich.
Unten hatte das Tier kaum noch Platz für seine Angriffe, so eng hatten die Jaqqas es umzingelt. Und sie stürmten mit einem schrecklichen Schrei heran, ergriffen das Tier und zwangen es nieder, und allein durch ihr Gewicht und ihre Kraft zermalmten sie es und würgten ihm das Leben aus dem Leib. Ein jeder der Jaqqas versuchte, die anderen bei dem gefährlichen Anspringen der Löwin zu übertreffen. Und nach einiger Zeit erhob sich ein gewaltiger Aufschrei von ihnen allen, der besagte: »Das Tier ist tot!« Sie alle zogen sich zum äußeren Rand des Kreises zurück und ließen in der Mitte die tote Löwin, die nun nur noch wie eine große, schlafende Katze aussah, und um sie herum einige Mitglieder ihres Stammes, die sie erschlagen hatte, zurück.
Woraufhin die Kessel erhitzt wurden und sie alle gierig die Leichen der Gefallenen verschlangen. Die saftigsten Teile wurden Calandola und seinen Fürsten auf das Gerüst hochgereicht, und wir fielen wie die Geier über das Fleisch her, da sehr große Tugend darin liegt, das Fleisch jener zu verzehren, die bei diesem Kampf tapfer gestorben sind. Ich hielt mich eine Weile zurück und ließ sie, da sie so eifrig waren, zuerst ihren Anteil haben.
Doch als ich mir den meinen holen wollte, kam ich an Machimba-lombo vorbei, dessen Lippen und Unterkinn mit Fett verschmiert waren und in dessen Augen wilder Hunger und noch etwas anderes, eine Art Raserei, leuchteten. Ich dachte, er würde mich schlagen, als ich an ihm vorbei nach meinem Fleisch griff; doch erneut beherrschte er sich und hielt angespannt inne, und ich hörte, wie er leise etwas murmelte. Denn dieser Mann war mein Feind, und dies sollte ich nun erfahren. Und doch konnte ich nicht dulden, daß er mich vor den anderen bedrohte. So sagte ich höflich: »Ich bitte dich, guter Vetter, laß mich meinen gerechten Anteil haben.«
Seine Blicke ruhten wie die eines Wolfes auf mir. Doch was konnte er tun? Ich hatte freundliche Worte gesagt, wenn auch nicht in einem freundlichen Ton. Und er gab nach und ließ mich essen.
Die Musik setzte nun wieder ein und das Singen und Tanzen und die Rufe: »Lang lebe unser Herr Imbe-Jaqqa! Lang lebe unser Herr Imbe-Jaqqa!« Und einige der stärksten Krieger nahmen unten eine Art Ringkampf auf, der trotz all seiner Wildheit überaus grazil und schön anzusehen war, fast wie ein Tanz. Dies war das erste Mal, daß ich die Jaqqas ringen sah.
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