Herr der Finsternis
seinen Zauberern geleitet und von den Sternen und den Dingen, die er am Horizont sah, und er behielt seine Meinung für sich. So lenkten wir uns ab, wie immer wir nur konnten. Doch der Tod des Machimba-lombo lag noch auf unseren Gedanken und schuf viel Unruhe.
Zu diesen unsicheren Zeiten lebte im Jaqqa-Lager ein Brauch neu auf, von dem ich viel gehört, aber den ich noch nicht beobachtet hatte, nämlich der des Gottesurteils. Ich hatte so etwas beim Volk des Mofarigosat beobachtet, wo solche Urteile gewöhnlich durch Gift herbeigeführt werden. Doch das war nur eine der vielen teuflischen Formen dieser Rechtsprechung, die die Jaqqas bevorzugten.
Überdies verlangten sie diese Gottesurteile nicht nur, wenn irgendein Rechtsstreit entschieden werden mußte. Nein, sie gaben sie als allgemeinen Unschuldsbeweis, als Zeichen ihrer großen Kühnheit, um dem Imbe-Jaqqa ihre Treue zu beweisen.
Etwa zehn Tage nach meiner Verbrüderung mit Kinguri kam es zum ersten dieser Ereignisse, als alle Jaqqa-Fürsten vor Calandola traten, der auf seinem Thron saß. Der Imbe-Jaqqa verlangte von allen von ihnen eine Erneuerung ihres Treueeides, und zwar durch das Gottesurteil namens Chilumbo, das mit Feuer vollzogen wurde. Dabei wurde ein rot glühendes Eisen über den Schenkel eines jeden Mannes gezogen, wobei man davon ausging, daß der, der dem Imbe-Jaqqa treu ergeben war, unverletzt blieb, aber die, die insgeheim nicht zu ihm standen, versengt und verletzt wurden, wodurch sich ihr Verrat offenbarte.
Daraufhin ergriff der alte Zauberer Kakula-banga, der seine schönsten Federn und Farben trug und am ganzen Körper mit einer leuchtenden Schmiere bedeckt war, ein heiliges Beil, mit dem dieses Ritual durchgeführt wurde, und legte es ins Feuer. Dann traten die hohen Männer des Stammes einer nach dem anderen vor, während Musiker ein schreckliches Trommeln anstimmten, um alle in noch größere Erregung zu versetzen.
Der erste dieser hohen Fürsten war Kinguri, der laut ausrief: »Bei meinem Mokisso, ich schwöre, daß ich den Imbe-Jaqqa Calandola über alles andere auf der Welt liebe!« Und der Zauberer nahm das heiße Eisen aus dem Feuer und fuhr damit über Kinguris Bein, wobei er die Haut nicht berührte, sondern sich ihr nur näherte. Dabei hielt Kinguri den Kopf aufrecht und die Arme gespreizt, und er lächelte breit, ohne auch nur eine Spur von Furcht oder Schmerz zu zeigen. Und als der Zauberer zurücktrat, war nicht die kleinste Blase auf Kinguris Haut.
Nun wurde das Chilumbo bei den Jaqqa-Generalen Kasanja und Kaimba vollzogen, die es unbeschadet überstanden, was ich nicht begreifen konnte, da das Feuer so heiß war und der Kopf der Axt rubinrot glühte. Nach ihnen kam Kulambo, der Kinguri nahe stand, und auch er blieb unverletzt und lächelte während des Gottesurteils. Der Zauberer hielt das Beil nun wieder ins Feuer, um seine Hitze zu erneuern, und ich schaute mich um, wer der nächste sein würde, und war sehr überrascht und erstaunt, als Kinguri mir bedeutete, daß ich vortreten solle.
Ich stand einen Augenblick lang erstarrt da und wußte nicht, was ich tun sollte.
»Geh, Andubatil!« befahl Kinguri.
Ich hatte gedacht, man würde mich von dem Urteil ausschließen, da ich ein Fremder und nicht in diesen Stamm geboren war. Doch das war Torheit: Ich war Andubatil Jaqqa, Blutsbruder des großen Kinguri, und der Imbe-Jaqqa hatte mich zum Kimana Kyeer ernannt und erklärt, ich sei ein wahrer Jaqqa, als er Machimba-lombo schuldig sprach. Ich konnte nicht die hohen Privilegien meines Rangs genießen, ohne seine Gefahren zu akzeptieren.
Ich würde lügen, wollte ich Euch erzählen, daß sich bei Kinguris Befehl keine große Furcht in meinen Eingeweiden ausbreitete. Denn ich wußte nicht, mit welcher Magie dieses Gottesurteil vollzogen wurde. Noch hielt ich mich Calandola gegenüber für so treu ergeben, wie diese Männer es waren: Ich stand noch mit dem einen Fuß im Christentum. Würde das heiße Metall, wenn es sich meiner Haut näherte, das geheime Englischtum enthüllen, das ich mir bewahrt hatte, jenen Teil von mir, der sich noch nicht ganz den wüsten Kannibalengelagen ausgeliefert hatte? Und was würde mit mir geschehen, sollte meine Haut Blasen schlagen?
Doch ich hatte keine Wahl. Wenn ich nicht vortrat, würde ich mich damit als Verräter und Feigling entlarven, und dies war eine Nation, die keine Gnade kannte.
So setzte ich eine gute Miene zum bösen Spiel auf, zwang mich, vorzutreten, erklärte dem Imbe-Jaqqa
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