Herr der Finsternis
lauthals meine Loyalität und vertraute mich Gott an, daß Er mich dieses Gottesurteil überstehen ließ, wie Er mich so vieles andere hatte überstehen lassen. Und der Zauberer Kakula-banga hob das glühende Beil und kam damit näher, hielt sein vernarbtes, runzliges Gesicht vor das meine und sah mit seinem einen hell funkelnden Auge in die meinen. Ich wußte nicht, ob er mich verspotten oder mir versichern wollte, daß alles in Ordnung sei, so seltsam und eindringlich war der Blick dieses Auges.
Er zog den Kopf des Beils so nah an mir vorbei, daß ich seine Hitze an meinem nackten Schenkel fühlte und den verbrannten Geruch der feinen Härchen wahrnahm, die aus meiner Haut sprossen. Während des gesamten Rituals zwang ich mich, selbstsicher zu lächeln und die Arme auszustrecken, als würde mir um alles in der Welt eine neue, große Ehre zugetan.
Dann zog sich das Beil von mir zurück, und ich stand einen Augenblick lang unbewegt da, weil ich mir nicht bewußt war, daß das Gottesurteil für mich vorbei und ich unverletzt war: Und schließlich gab ich meine starre Haltung auf und gesellte mich zu denen, die die Prüfung bestanden hatten, um mit ihnen Palmwein zu trinken.
»Ah, ich hatte keine Zweifel an dir, Bruder«, sagte Kinguri lachend.
Und so ging es weiter, Mann um Mann, und niemand wurde von der Hitze verletzt. Woraufhin ich schon dachte, das Gottesurteil sei nur ein hohler Mummenschanz zur Erheiterung des Imbe-Jaqqa. Doch dann trat ein gewisser Nbande vor, ein breitschultriger Krieger des zweiten Ranges, der stets mürrisch und verdrossen war; und als das Beil sich ihm näherte, heulte er auf und faßte sich ans Bein, das versengt war und einen großen roten Flecken aufwies, der an gebratenes Fleisch erinnerte. Dieser Nbande fiel dann auf die Knie und flehte Calandola an, behauptete, dieses Versengen müsse ein Irrtum gewesen sein und niemand würde den Imbe-Jaqqa mehr lieben als er, doch es war sinnlos, denn die Gerechtigkeit war schnell, und fünf oder sechs Jaqqa-Fürsten stachen mit ihren Speeren auf ihn ein und trieben ihm das Leben aus dem Leib.
»Das ist keine Überraschung«, sagte Kinguri neben mir. »Ich habe ihm schon immer mißtraut.«
An diesem Abend veranstalteten die Jaqqas einen Festschmaus mit dem Fleisch des Verräters Nbande und gaben dabei viele schlüpfrige Bemerkungen über die Verderbtheit des Mannes von sich; und die Frauen des Nbande, fünf an der Zahl, wurden weinend herangeschafft und mehreren hohen Jaqqas als Konkubinen angeboten. Bangala nahm eine und Paivaga auch eine, und der alte Zimbo zwei; doch als man mir die letzte anbot, lehnte ich ab, und Ngonga nahm sie. Danach gab es einen Ringkampf zwischen Paivaga, dem neuesten der Jaqqafürsten, und Kaimba. Diesen vollzogen sie überaus elegant, wobei sie viele Stürze wie bloße Finten aussehen ließen, und selbst wenn sie einander weh taten, bekundeten sie ihren Schmerz nicht durch einen Schrei, sondern höchstens durch ein etwas schärferes Einatmen. Paivaga wurde zum Sieger erklärt und legte Kaimba überaus freundlich den Arm auf die Schulter. Diese Ringkämpfe der Jaqqas, dachte ich bei mir, waren eins der schönsten Schauspiele dieses Volkes. Als sie ihren Kampf ausgetragen hatten, forderten sie andere auf, vorzutreten, und einige sahen zu mir hinüber.
Doch ich war noch wund von meiner Blutsbrüderschaft mit Kinguri, und die Verletzungen, die Machimba-lombo mir zugefügt hatte, waren auch noch nicht verheilt. Ich war auch nicht so guter Laune, daß ich solch eine Abwechslung willkommen geheißen hätte, denn der Schatten des Gottesurteils und der Tod des Nbande lagen noch auf meiner Seele. Ich lehnte den Ringkampf ab, indem ich sagte, ich sei noch nicht bereit dazu, und setzte mich etwas verdrossen zurück: Ich dankte Gott für mein knappes Entkommen und dachte, es könnte mein Fleisch sein, was auf dem Bankett heute abend gegessen wird, hätte die Hitze meine Haut versengt. Und es könnte meine Frau Kulachinga sein, die anderen zum Vergnügen angeboten wurde. Und ich begriff, daß man unter diesen Menschenfressern immer auf des Messers Schneide lebte.
6
An den folgenden Tagen gab es weitere Gottesurteile anderer Beschaffenheit. Dies waren keine großen Spektakel, bei denen die Treue zu Calandola bewiesen werden sollte, sondern Beilegungen von Zwisten unter den Jaqqas. Denn sie waren fürwahr ein streitsüchtiger und zänkischer Haufen. Eine Möglichkeit, solche Zwiste zu beenden, die mir sehr seltsam erschien, war
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