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Herr der Finsternis

Herr der Finsternis

Titel: Herr der Finsternis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Silverberg
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das Gottesurteil mittels Muscheln, das bei den Jaqqas Mbula und Matadi angewandt wurde, als sie sich über den Besitz eines schönen Schwertes stritten. Kinguri befahl beiden, vor ihm zu erscheinen, und als sie angetreten waren, drückte er dem einen eine große gelbe und dem anderen eine große violette Muschel auf die Stirn und befahl ihnen gleichzeitig, sich zu verbeugen. An Mbulas Stirn blieb die Muschel kleben, doch von Matadis fiel sie hinab, und er wurde als Lügner abgetan.
    Ein anderes Gottesurteil war das mittels kochenden Wassers, was ich bei einem Zwist über den Besitz einer Frau beobachtete, von der zwei Männer behaupteten, sie hätten sie gefangengenommen. Hier legte jeder von ihnen einen Eid ab – der Nole Fianzumdu genannt wurde –, und dann erhitzte ein Medizinmann ein Eisen, bis es rotglühend war, und tauchte es in einen Kübel voll Wasser. Das kochende Wasser wurde augenblicklich an die beiden weitergegeben, die den Eid geleistet hatten. Der eine schluckte es ohne Mühe, der andere hatte Schwierigkeiten – die Frau wurde dem ersten zugesprochen.
    Ich wurde auch noch einmal Zeuge des Gottesurteils durch Gift, das mit der Frucht einer Palme namens Emba, die viel Öl gibt, praktiziert wurde. In diesem Fall hatte ein Jaqqa einen anderen des Verrats an Calandola beschuldigt und ihm sogar vorgeworfen, dessen Ermordung geplant zu haben.
    »Das streite ich entschieden ab«, rief der Beschuldigte, und solch ein Tumult brach zwischen ihnen aus, daß sie zum Gottesurteil befohlen wurden. Dann wurden alle hohen Jaqqas zusammengerufen, und man reichte Calandola eine Schüssel mit Emba -Früchten, und dieser hielt sie hoch. Dann befahl der Imbe-Jaqqa einem seiner Medizinmänner, eine Frucht aus dem Korb auszuwählen, und biß selbst hinein, um zu zeigen, daß sie harmlos und ungefährlich war. Daraufhin wurden drei andere Früchte ausgesucht, und in eine gab man mittels eines langen Dorns ein Gift. Dann wurde die vergiftete Frucht zu den beiden anderen gelegt, und nach gewissen Gebeten der Medizinmänner reichte man den bei den Jaqqas die Schale.
    Der Ankläger wählte zuerst und biß in die Frucht, und sie erwies sich als harmlos. Sie wurde weggeworfen, und man legte eine neue Frucht aus dem Korb in die Schale, damit der Beklagte ebenfalls zwischen zwei guten und einer vergifteten aussuchen konnte. Er biß in eine Frucht, und augenblicklich schwoll seine Kehle an, und er würgte und gab schreckliche gurgelnde Geräusche von sich. Und innerhalb von drei Minuten fiel er tot zu Boden. »So sterben alle Verräter«, sagte Imbe Calandola, und die Leiche wurde fortgetragen.
    All dies kam mir überaus düster und unangenehm vor, denn ich sah nicht ein, wie man der Gerechtigkeit mit heißen Eisen, vergifteten Früchten und kochendem Wasser Genüge tun konnte. Ich erinnerte mich daran, daß wir diese Gottesurteile auch in England gekannt hatten, etwa das Tragen von rotglühenden Eisen oder den Zweikampf. Doch dies war alles schon vor langer Zeit abgeschafft worden, zur Herrschaft von Heinrich III. oder sogar noch vor ihm, da es eines zivilisierten Volkes nicht würdig ist; ausgenommen das Eintauchen von Hexen in einen Teich, denn es ist bekannt, daß Hexen nicht im Wasser versinken, sondern immer wieder an die Oberfläche kommen. Doch das gilt eben nur für Hexen, die ein besonderer Fall sind, und nicht für ordentliche Gerichtssachen.
    Nach diesen Gottesurteilen war es unter den Jaqqas eine Weile wieder ruhig. Wir sammelten unsere Kräfte, um endlich den Angriff gegen Makellacolonge durchzuführen, doch im letzten Augenblick entschied sich Imbe Calandola wieder dagegen und sagte, die Omen wären nicht gut. Ich habe niemals erfahren, wieso er Angst davor hatte, diesen Fürsten anzugreifen, und vielleicht weiß er das selbst nicht. Wir brachen unser Lager ab und marschierten wieder gen Westen, ohne daß es zum Kampf gekommen war.
    Indem wir wieder am Fluß Kwanza entlang marschierten, erreichten wir die Stadt eines Fürsten, der Shillambansa hieß und der Onkel des Königs von Angola war. Wir brannten diese Stadt, die auf ihre Art sehr prächtig erbaut war, nieder. Diese Gegend war sehr angenehm und fruchtbar. Wir fanden zahlreiche Pfauen, die frei herumliefen, und auch zahlreiche zahme. In der Mitte der Stadt befand sich das Grab des alten Fürsten Shillambansa, des Vaters des derzeitigen, und an seiner Grabstätte fanden wir einhundert zahme Pfauen, die als Opfergaben für seinen Mokisso gedacht waren. Diese

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