Herr der Finsternis
geschleppt. Er war alt und schwer und saß gekrümmt da, atmete rasselnd, da er fleischig und krank war, und hatte eine ungesunde graue Haut, auf der überall helle Schweißbäche glänzten. Eine lange Weile musterte er uns, als seien wir ein paar seltsame Tiere mit faulem Geruch, und ich erwiderte seinen Blick mit Zorn und Abscheu, denn dieser Mann war unser einziger Feind hier, der, der die Macht über Leben und Tod über uns hielt und zwischen uns und der Heimat stand, und ich wußte, daß er uns nicht freilassen würde.
Schließlich sagte er: »Die Briefe verraten mir, daß ihr gefährliche Freibeuter seid, die versucht haben, der Regierung Brasiliens zu schaden. Trifft das zu?«
»Freibeuter, ja«, erwiderte ich. »Doch wir haben nur versucht, etwas von dem Gold der Indianer zu bekommen, von den Schatzschiffen des Rio de la Plata.« Es schien sinnlos zu sein, die Behauptung aufrecht zu erhalten, wir seien unschuldige Siedler für Virginia, wenn wir hier sowieso schon als verurteilt galten.
»Du sprichst unsere Sprache gut, obwohl dein Akzent schrecklich ist.«
»Es ist die Sprache, die schrecklich ist. Ich spreche sie so, wie sie es verdient.«
»Ach, so voll des Feuers bist du also? Daß du den Mann ankeifst, dem du dein Leben verdankst?«
»Ich keife euch an, weil Ihr mein Leben in der Hand haltet, Sire.«
»Ich habe nicht um euch gebeten«, sagte Serrão. »Für mich seid ihr eine Last, ein Dorn in meiner Seele.«
»Wir haben auch nicht um Euch gebeten.«
Serrão sah mir in die Augen. »Soll ich mit euch die Coccodrillos füttern, um mir euer Ärgernis vom Hals zu schaffen? Ihr seid ein Summen in meinen Ohren. Der Heilige Michael erspare mir, noch mehr von euch zu hören.«
»Und der Heilige Georg erspare uns, lange unter euch zu verweilen.«
»Schweigt!«
Bei diesem plötzlichen Ausbruch des trägen und kränklichen Serrão sah Tomer mich an und sagte: »Um Jesu willen, Andy, erzürne den alten Mann nicht!«
»Der andere Engländer«, sagte Serrão, »er versteht nichts von dem, was wir sprechen?«
»Sehr wenig«, sagte ich. »Später werde ich ihm die Bedeutung übersetzen.«
»Ist er genauso voll des Zorns wie du?«
»Noch voller«, sagte ich. »Seine Zunge zittert vor Abscheu vor Eurer Rasse, doch er kann es nur auf englisch sagen.«
Serrão nickte, als wäre es ihm gleichgültig, daß wir solch aufrührerische Schurken seien, und verstummte wieder. Er spielte mit einem Schnitzwerk an seinem Gürtel und säuberte sich die Nägel mit einem Dolch: ein fetter alter Soldat, der einst kühn und schnell gewesen sein mußte, obwohl davon nur noch wenig zu sehen war. Wahrscheinlich war er sehr erzürnt auf Paulo Dias, daß dieser zur Unzeit gestorben war. Nach einer Weile blickte er auf. »Was soll ich nur mit euch tun?« sagte er.
»Verfrachtet uns auf das nächste Schiff nach Lissabon, von dort aus werden wir den Weg nach England schon finden.«
Der alte Mann lachte. »Ja, und ich gebe euch auch noch tausend Pfund Elfenbein mit, weil ihr unter unserer Obhut so gelitten habt. Seid ihr gute Seeleute, Freibeuter?«
»Ausgezeichnete.«
»Welche Erfahrungen habt ihr?«
»Ich bin Lotse«, sagte ich kühl, »und mein Gefährte ist Kanonier.«
Diese Lügen sprach ich, um uns wichtiger erscheinen zu lassen, denn hätte ich gesagt, daß wir nur einfache Matrosen waren, so hätten die Portugiesen, fürchtete ich, nur wenig um uns gegeben und uns vielleicht die Kehlen durchgeschnitten, um sich nicht mehr um uns kümmern zu müssen. Darin sollte ich recht behalten. »Ein Lotse«, sagte Serrão murmelnd: »Gut. Sehr gut. Unsere Pinasse, die zwischen hier und Masanganu verkehrt, ist knapp an Besatzung, und wir werden euch auf ihr dienen lassen.«
»Das werden wir nicht tun«, erwiderte ich.
»Ihr weigert euch?«
»In der Tat.«
Er zog ein Gesicht, als hätte ich ihn mit der Faust in die Fettrollen seines Leibes geschlagen und etwas Luft aus ihnen gedrückt. Ich behielt meinen kalt funkelnden Blick bei. Doch seltsamerweise fiel es mir schwer, ihn weiterhin zu verachten; er war alt, leidend, müde, und durch einen Winkelzug des Schicksals mußte er Gericht über mich halten, was ihm vielleicht nicht besser gefiel als mir. Ich tat diese Gedanken als Schwäche und Nachgiebigkeit ab, versuchte, sie zu unterdrücken, und blickte düster auf ihn hinab wie auf einen durchtriebenen und betrügerischen italienischen Kardinal, der nachts seiner eigenen Schwester beiwohnt.
»Warum weigert ihr euch?« fragte
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