Herr der Finsternis
Serrão.
»Königin Bess kann mir Befehle erteilen, aber nicht Ihr, und ganz bestimmt nicht König Philip.«
»Sprich nicht zu mir von König Philip. Er ist nicht mein König, abgesehen von einem fernen Dekret, von dem ich nichts weiß. Ich trage euch auf, auf unserer Pinasse zu fahren, der es an Besatzung mangelt.«
»Bemannt sie doch selbst, Alter.«
Er schien sich selbst Einhalt zu gebieten. Auf langsame, bedächtige Art sagte er: »Was für eine Wahl habe ich? Ich könnte euch mit einer Handbewegung erschlagen lassen und später sagen, ihr wäret entschlossene Ketzer gewesen, die falsch zu den Schwarzen gepredigt hätten. Doch nein, ich bin nicht versessen darauf. Ich könnte euch in den Kerker zurückschicken und euch dort verschimmeln und verfaulen lassen, bis die Knochen durch eure Haut scheinen. Ist dies nach eurem Geschmack? Aber dann muß ich euch zu essen geben und mich noch anderweitig um euch kümmern. Oder aber ihr könntet unter unserem Kommando dienen.«
»Das werden wir nicht, und wenn wir dafür verfaulen oder Eure Coccodrillos mit unserem Fleisch füttern müssen.«
Serrão lehnte sich gegen seine Stuhllehne zurück und trommelte mit den Fingerspitzen auf seinen Arm, der an einigen Stellen eine schuppige Schlangenhaut aufwies. »Ihr seid starrköpfig«, sagte er, »und zwar von einer törichten Starrköpfigkeit. So sei es: zurück in eure Zellen.«
Die Wachen schickten sich an, uns aus dem Raum zu drängen.
Tomer sah mich an und fragte: »Was hat es gegeben?«
»Man hat uns Posten auf einem ihrer Schiffe angeboten. Ich habe abgelehnt und gesagt, daß wir ihnen nicht dienen werden.«
»Tapferer Bursche!«
Fürwahr tapfer, doch vielleicht nicht ohne Torheit. Denn als wir uns durch die seelenverdörrende stickige Hitze zu den Tiefen und Eingeweiden der Festung zurückschleppten, fühlte ich, wie mich eine Änderung meiner Meinung überkam. Ich dachte bei mir, daß mein Patriotismus zwar edel mutig, aber auch edelmütig töricht sei. Sie konnten uns für ein oder fünf Jahre, aber auch für immer in den Kerker werfen. Es war gut vorstellbar, daß wir dort unten in zwei weiteren Wochen an der Feuchtigkeit oder an einem Spinnenbiß oder einem inneren Ausfluß sterben würden. Wie konnten wir damit der Königin dienen? Wie würde dies unseren eigenen Wünschen und Träumen dienen? War es nicht besser, diesen Portugiesen zu gehorchen, wieder ins Sonnenlicht hinauszukommen und ihnen zu dienen, bis sie uns vielleicht begnadigten? Es würde mir nicht leicht fallen, in ihre Dienste zu treten, doch es hieß entweder das oder sterben, und aus starrköpfigem Patriotismus zu sterben mag zwar eine schöne Sache sein, aber doch nicht halb so schön, wie England wiederzusehen.
»Ich habe es mir anders überlegt«, sagte ich zu Tomer.
»Was?«
»In den Kerkern haben wir keine Chance. An Bord ihrer Pinasse könnten wir den Anfang des Wegs nach Hause finden. Was sagst du, Thomas?«
»Wirst du ihnen dienen?«
»Aye, das werde ich. Ich halte es für klüger.«
»Dann werde ich es auch, Andy.«
Ich blieb stehen und sagte zu den Portugiesen, die mich anstießen und mir mit ihren Knüppeln in die Nieren schlugen: »Wartet, ich will den Statthalter noch einmal sprechen.«
»An einem späteren Tag«, erwiderte eine Wache.
»Nein!« rief ich, da ich dachte, daß Monate daraus werden könnten. »Geh zu ihm, sag ihm, wir hätten es uns anders überlegt, oder es geht auf deine Kappe!«
Die Portugiesen beratschlagten untereinander; und dann erbarmten sie sich und brachten uns zu Serrão zurück, der seit den zehn Minuten, die verstrichen waren, um vieles älter und müder aussah.
»Ich füge mich«, sagte ich. »Wir werden dienen.«
»Du bist klug, dies zu tun. So sei es.« Und er winkte uns hinaus.
Erneut wurden wir zu unserem Kerker geführt, und nun erklärte ich Tomer alles, was sich bei dem ersten Gespräch zwischen Serrão und mir zugetragen hatte. Er zuckte die Achseln, als ich sagte, wir hätten die Wahl gehabt, zu dienen oder elendig in Ketten zu sterben, und lachte, als ich sagte, ich hätte ihn zum Kanonier und mich zum Lotsen befördert; doch er erbleichte, als ich sagte, Masanganu sei der Ort, zu dem wir gebracht werden würden.
»Du kennst ihn?« fragte ich.
»Barbosa hat mir einmal davon erzählt, als wir auf See waren«, sagte Tomer. »Es ist ein Fort irgendwo im heißen Inneren dieses Landes, das es gegen die wilden Stämme beschützt, die dahinter leben. Die Portugiesen fürchten es
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