Herr der Finsternis
überaus beherrschendes Auftreten und solch ein Eindruck einer stillen Bedrohung, daß er wie eine Art Luzifer oder Mephistopheles wirkte, und ich wußte vom ersten Augenblick an, daß er kein gewöhnlicher Mann war. Neben mir gab einer der Portugiesen ein leises, grunzendes Geräusch von sich, ließ sich auf die Planken fallen und schickte sich an, sich zu bekreuzigen und einen solchen Strom von Ave Marias und Vater Unsern herunterzubeten, daß ich sah, ich war nicht der einzige, der so empfand.
»Was ist das für eine Person?« fragte ich Henrique.
»Ein Prinz der Jaqqas«, erwiderte der Lotse. »Wir sehen sie mitunter auf dieser Strecke, wenn sie Pilgerreisen machen, von denen wir nichts wissen.«
»Jaqqas? Die Menschenfresser?«
»Die selbigen«, sagte Henrique. »Gefolgsleute des Herrn der Finsternis, Teufel aus der Grube!«
Einer der anderen Portugiesen hatte eine Arkebuse ergriffen und zielte mit dem Ding nun auf das Geschöpf am Ufer. Henrique pfiff durch die Zähne, drückte die Mündung der Waffe zur Seite und sagte: »Du Narr, willst du, daß wir am Abend alle in einem Kochtopf sitzen?«
Im nächsten Augenblick vollzog der Fluß eine scharfe Biegung, und der Jaqqa verschwand aus unserer Sicht. Doch sein Bild hatte sich in mein Gehirn gebrannt.
»Sie sind eine Plage«, sagte Henrique. »Sie kommen und gehen in der Wildnis wie Geister oder eher wie Heuschrecken und verschlingen alles auf ihrem Pfad, vernichten es, zeigen kein Erbarmen. Und doch wissen wir nicht, ob sie unsere Feinde oder unsere Freunde sind, denn manchmal sind sie unseren Zwecken zu Diensten, und manchmal fallen sie wie Höllenhunde über unsere Lager her.« Er erschauderte. »Diese Völker von Angola und die des Kongos sind nur Menschen mit dunkler Haut und wolligem Haar, und wir verstehen sie, und wenn wir in ihre Augen schauen, sehen wir Seelen, die unseren Blick erwidern, und wenn wir ihre Haut berühren, fühlen wir menschliches Fleisch darunter. Doch die Jaqqas…!«
Er ließ die Worte unausgesprochen.
Am siebten Tag machten wir bei einem Dorf namens Muchima halt, wo die Portugiesen ein Presidio oder Fort gegründet hatten, um Medizin für unseren Mann zu beschaffen, der krank geworden war, nachdem der andere schon gestorben war. Nur drei Portugiesen lebten in diesem Presidio, das eher eine Hütte aus Ästen war denn ein Fort. Doch um sie herum befand sich ein Dorf der Schwarzen von fünfzig oder achtzig Seelen, freundliche, unschuldige und friedliche Geschöpfe, die hauptsächlich vom Fischfang lebten. Wir blieben eine Nacht dort.
Diese Nacht nahmen alle Portugiesen, selbst Henrique, Mädchen des Stammes als Bettgenossinnen, bis auf den einen, der für solch eine Vergnügung zu krank war, und einen anderen, von dem ich glaube, daß er einen Eid geleistet hatte, in diesem Jahr keine Frau zu berühren, weil seine geliebte Jungfrau Maria ihm irgendeine Gunst erwiesen hatte. Tomer wurde auch eine Frau angeboten, und er akzeptierte überaus freudig, und mir auch, doch ich lehnte ab. Meine Weigerung erzeugte unter den Portugiesen eine gewisse Erheiterung, da ich einen robusten Körper und eine ausgezeichnete Gesundheit hatte und sie meine Gründe nicht verstehen konnten.
»Hast du geschworen, ein Mönchsleben zu führen?« fragte Henrique mich. »Oder ist es, daß du die Liebe deines eigenen Geschlechts vorziehst, woraufhin wir dich wohl erschlagen und an die Coccodrillos verfüttern müssen, wenn du unsere Reise störst.«
»Weder das eine noch das andere«, antwortete ich ihm. »Doch in dieser üblen Hitze verspüre ich keinen Drang nach einer Frau.«
In Wirklichkeit war dies nicht die Wahrheit. Meine Lenden schmerzten, und in meinen Träumen sah ich nur Brüste und Schenkel und Hinterbacken und das Vlies zwischen den Beinen. Doch dieses Vlies war vom goldenen Flaum meiner Anne Katherine. Weiß Gott, ich bin kein Heiliger, und ich hatte auch kein Keuschheitsgelübde geleistet, und doch konnte ich zu dieser Zeit nicht in den Körper irgendeiner Frau eindringen, nur um meine Gelüste zu befriedigen, nicht, wenn meine Handfläche mit geringerer Sünde den gleichen Zweck erfüllen konnte. Besonders wenn diese fremde Frau von schwarzer Haut und mit irgendeinem ranzigen Zeug eingeölt war und sich zur Zierde seltsame Narben auf die Wangen geritzt und vielleicht einen Knochen durch die Nase gestoßen hatte. Solch eine Frau zu benutzen hieße beinahe, Vieh zu benutzen, und Vieh war keine passende Gesellschaft für einen Engländer.
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