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Herr der Finsternis

Herr der Finsternis

Titel: Herr der Finsternis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Silverberg
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unter uns weilt, ein Ende bereitest.«
    »Ah, ich bin kein Chirurg, Herr Calandola.«
    »Du bist mehr Chirurg, als du glaubst«, erwiderte der König der Menschenfresser. »Und du bist es, der dieser Pest das Herz herausschneiden muß, bevor sie uns alle verschlingt. Denn ich habe ihr freien Lauf gelassen und ließ sie auflodern wie ein kräftiges Feuer, doch nun muß ihr ein schnelles Ende bereitet werden.«
    »Und ich soll ihr dieses Ende bereiten?«
    »Nur du kannst tun, was erforderlich ist, mein Andubatil, mein Kimana Kyeer.«
    Er erklärte mir, er habe in seinen Gebeten und Meditationen die Ursache dieser Seuche herausgefunden. Die nämlich darin lag, daß gewisse Mitglieder des Stammes, die erkrankt waren, aber weder gesundeten noch starben, der Herd der Infektion waren. Von ihren Weidenrutenunterkünften aus schickten sie dem Stamm den Makel ihrer Seelen, sagte er, und forderten so tagtäglich neue Opfer. Daher müßten diese Pest-Träger gänzlich entwurzelt werden. Und diese Aufgabe übertrug er mir, weil die Ngangas entschieden hatten, daß der, der sie entwurzelte, vom Herzen, aber nicht vom Körper her ein Jaqqa sein müsse, und dieser Mann könne nur ich sein.
    »Woher soll ich wissen, wer diese Personen sind?« fragte ich.
    »Man wird sie dir zeigen.«
    Er hob seinen gewaltigen Körper vom Thron, stieg hinab und schritt in den strömenden Regen hinaus. Ich folgte ihm, hinter mir eine Menge Medizinmänner und Höflinge. Auch Kinguri kam zu ihm, und ein großer Hexenmeister des Stammes, dessen Haar scharlachrot gefärbt war und der auf einem schweren Palmwedel ein langes, überaus blankpoliertes Schwert trug.
    »Das ist dein Chirurgen-Werkzeug«, erklärte Calandola.
    Dann marschierten wir über die gesamte Breite des Lagers zu der Stelle, wo die Kranken-Häuser errichtet waren; und unsere Gefolgschaft fiel zurück und ließ Calandola, Kinguri und mich allein. Diese beiden und ich betraten ein bestimmtes Kranken-Haus, in dem der Unterführer Ti-Bangala leidend lag. Ich hatte keine Gelegenheit gehabt, diesen Mann, der ein großer Jäger und Bogenschütze war, näher kennenzulernen, doch ich respektierte ihn sehr. Obwohl er von beachtlicher Statur und Erscheinung war, lag er nun zusammengekauert und zitternd hernieder, halb ertränkt von seinem eigenen Schweiß, der ihm aus jeder Pore floß. Nachdem wir eingetreten waren, sah er auf und sagte mit leiser, müder Stimme, die kaum seine eigene war: »Imbe-Jaqqa? Fürst Kinguri? Ah, ich leide, ich leide; wann wird dies ein Ende finden?«
    »Es wird jetzt ein Ende finden, Ti-Bangala«, sagte der Imbe-Jaqqa.
    Dann traten die beiden Brüder zur Seite und gaben die Sicht auf mich frei, der ich dort, die große, helle Waffe in der Hand, wie ein Todesengel stand. Ti-Bangala zeigte keine Furcht vor meinem Schwert, nur eine Art milder Überraschung, und er lächelte mir schwach zu und sagte: »Ah, Andubatil, werden wir je wieder gemeinsam auf die Jagd geben?«
    »Nay, ich fürchte nicht«, sagte ich.
    »Dann bist du der Todes- Mokisso ?«
    »Der bin ich, Ti-Bangala.«
    Und auf ein Zeichen von Calandola stieß ich ihm das Schwert durch die Brust, und die Luft entwich ihm sanft aus dem Mund, und er gab den Geist auf.
    Von dort gingen wir zum Kranken-Haus des Jaqqa Paivaga, der auf mich den Eindruck machte, daß er sowieso schon dem Tode nahestand; doch auch ihn erledigte ich mit der Klinge. Und von dort aus zur Kammer des Nzinga-bandi, eines Meisters der Musik, der meinen Streich schweigend hinnahm; und dann weiter zu einem anderen und noch einem und dann noch insgesamt elf weiteren. Sie alle erlöste ich ohne einen weiteren Gedanken von dieser Welt. Die meisten waren so krank – ihre Augen waren glasig, und der Schweiß glänzte auf ihrer Haut –, daß sie kaum wahrnahmen, was mit ihnen geschah, bis sich mein Schwert senkte. Doch einer, Mbanda-kanini, ein Mann, der fast so groß und schwer wie Calandola war, sah auf die Waffe, warf sich auf die Knie und rief aus: »Erschlage mich nicht, Andubatil! Was hat das zu bedeuten, weshalb willst du mich zum Tode bringen?« Und in seinen Augen spiegelte sich sowohl die Bitte, ihn am Leben zu lassen, wie auch der Trotz gegen mein Vorhaben. Und ich durchbohrte ihn dennoch.
    Ich glaube, ich hätte den ganzen Tag gelassen damit fortgefahren, diese bestimmten Jaqqas zu töten, die für die Ursache der Pest gehalten wurden; denn mein Arm gewöhnte sich daran und wurde schließlich ganz geschickt, und ich machte eine Kunst daraus,

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