Herr der Finsternis
Mann trugen ihn zum Grab und setzen ihn hinein, als würde er noch leben. Dann mußten sich zwei seiner Frauen zu ihm setzten, die sehr ernst und verängstigt wirkten, und sie hatten auch allen Grund dazu: Denn man würde sie lebendig begraben. Man brach diesen Frauen die Arme, wohl, damit sie sich nicht aus ihrem Grab befreien konnten. Und nachdem sie saßen, wurde die Gruft von oben zugeschüttet. Danach trauerten und sangen die Gefährten des Toten drei Tage lang an seinem Grab Klagelieder und töteten viele Ziegen und schütteten ihr Blut über das Grab und auch Palmwein.
Zur vollsten Regenzeit, als die Niederschläge wie schmierige warme Kugeln aus dem grauen Himmel fielen und das Land um uns herum in Morast und einen Schlammsee verwandelten, brachen diese Fieber wie eine große Pest im Jaqqa-Lager aus. Fünfzig, einhundert, zweihundert erkrankten, vielleicht sogar noch mehr, und mit jedem Tag kamen neue Opfer hinzu. Am Rande des Lagers erhoben sich ganze Dörfer aus Kranken-Häusern, und das Geräusch des Stöhnens und Würgens war ein schrecklicher Kontrast zum Trommeln des Regens.
Die beiden großen Männer der Jaqqas betrachteten dieses Unheil auf völlig gegensätzliche Art. Ich sah, wie Kinguri Stunde für Stunde mit vor Verzweiflung gekrümmten Schultern durch das Lager ging, das schwarze Gesicht noch schwärzer vor Trauer. Mit der Kraft der Verzweiflung versuchte er, dem Ausbreiten der Seuche Einhalt zu gebieten. Er beratschlagte sich oft mit den Medizinmännern und ließ sie noch heftiger auf die Trommeln schlagen, und wenn der Regen es erlaubte, ließ er große Feuer anzünden, in die man gewisse Pulver warf, die Flammen von kräftigen scharlachroten und gelben Tönen in die Luft schleuderten. »Dort leiden kühne Krieger«, sagte er zu mir. »Es liegt ein Fluch auf uns, und ich kann ihn nicht aufheben!«
»Er wird mit dem Regen vergehen«, sagte ich, um ihn zu trösten, obgleich ich keine genauere Vorstellung über die Wahrheit dieser Worte hatte als darüber, welche Vögel auf dem Mond leben.
»Es ist ein Fluch«, sagte Kinguri wieder überaus verdrossen.
Er brütete vor sich hin, schritt auf und ab und kochte innerlich, als der Fieberausbruch zu einer wahren Epidemie im Lager wurde. Währenddessen hielt sich sein Bruder Calandola von uns abseits und türmte sich wie ein großer Berg, der sich in völliger Klarheit aus der Mitte des Chaos und des Sterbens erhob, hoch über die Nebel und den Dunst auf. Von Zeit zu Zeit sah ich ihn, wie er mit seiner besonderen Gefolgschaft durch das Lager schritt und auf überaus kühle, leidenschaftslose Art den Niedergang und die Verheerungen unter seiner Armee beobachtete. Doch dann wieder verließ er für eine lange Zeit seine Behausung nicht und hielt inmitten der Frauen und Medizinmänner hof, als sei nichts von Bedeutung geschehen. Es hatte den Anschein, als würde sich seine Sicht der Welt, die dringend der Reinigung, Säuberung und großer Verwüstungen bedurfte, sogar auf seine eigene Nation erstrecken: als betrachte er diese Pest als ein Verdampfen nutzloser Unreinheit und überflüssigen Unrats vom harten, glänzenden Kern der Jaqqa-Truppe. Doch das ist nur meine Überlegung; ich kann Euch nicht sagen, was während dieser dunklen Zeit wirklich in den Gedanken des Imbe Calandola vor sich ging.
Nur eins fürchtete ich sehr, während das Sterben seinen Lauf nahm, nämlich, daß irgendwer im Jaqqa-Lager mir die Pest vor die Tür legen und sagen würde: »Er ist ein Fremder, er ist keiner von uns, er hat ein weißes Gesicht, er hat die Pest über uns gebracht.« Und daß sie darauf bestehen würden, ihre Mokissos durch meinen Tod zu beschwichtigen. Würde Calandola nachgeben und mich opfern, wenn sich solch ein Aufschrei erheben sollte? Ich war täglich auf der Hut davor.
So zitterte ich, als ein Tag kam, da Calandola mich zu seinem inneren Heiligtum kommen und mir von Kasanja und Kilombo die Nachricht überbringen ließ. Und ich dachte, ah, sie haben endlich entschieden, daß ich der Grund für die Pest bin, und wollen mich erschlagen.
Ich fand den Imbe-Jaqqa auf seinem Thron, wie er mit Knochenspangen spielte; es waren nur vier oder fünf seiner Frauen in der Nähe. Sein Gesicht war ernst, aber ruhig, und aus dieser dunklen, schimmernden Maske strahlten seine schrecklichen Augen wie Leuchtfeuer, als er zu mir herabblickte und sagte: »Du mußt mir einen Dienst erweisen.«
»Erbitte ihn, o Imbe-Jaqqa.«
»Ich möchte, daß du dieser Krankheit, die
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