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Herr der Finsternis

Herr der Finsternis

Titel: Herr der Finsternis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Silverberg
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meiner eigenen Hütte schlief Kulachinga nun auf einer eigenen Matte und sagte, sie könne mich nicht umarmen, bis ich geweiht sei: was ich bedauerte, doch ich kam dem Ritus nach. In der Tat berührte mich während all jener Tage niemand, als würde ich sie sonst mit einem gottesähnlichen, inneren Feuer verbrennen: Die, denen ich begegnete, unternahmen große Mühen, mir auszuweichen, und ich durfte weder an Jaqqa-Spielen noch -Tänzen teilnehmen.
    An dem Tag, an dem der Ritus stattfinden sollte, suchte mich Imbe Calandola persönlich auf, führte mich zu dem Zeremonienhaus und hinein, und die Mauer aus Palmfasern wurde hinter mir geschlossen.
    Einige Dutzend Jaqqas befanden sich bereits in dem Haus, saßen mit gekreuzten Beinen da und erwarteten mich. Der Jaqqa Ntotela war unter ihnen und Zimbo, Kasanje und Bangala und auch der Hexer Kakula-banga; die anderen kannte ich nur entfernt. Kinguri war nicht dort. Das hatte ich auch nicht erwartet.
    Calandola nahm seinen Platz am Kopf der feierlichen Gruppe ein. Vor dem Haus erklang Musik: ein langsames, dumpfes Dröhnen von Trommeln und dann der klagende, hohe, wehleidige Aufschrei einer Elfenbeinflöte, ein Klang, der mich an das Geräusch erinnerte, mit dem eine Schlange von einer Seite zur anderen gleitet, um dann zuzuschlagen.
    Auf dem Boden stand eine große Schüssel mit Palmwein, auf die königliche Art und Weise gemischt: das heißt, mit Menschenblut durchsetzt. Als Einführung in den Ritus tranken wir alle davon, und zwar überaus reichlich.
    Und da war auch ein Weidenkorb, der Menschenfett enthielt. Ich entfernte meine Schmuckstücke und das Lendentuch, und Calandola nickte zweien seiner Medizinmänner zu, die mich gründlich mit diesem Fett einrieben, wobei sie jeden Zoll meiner Nacktheit einölten. Alle anderen im Raum unterzogen sich ebenfalls dieser Ölung. Zuerst war mir der Geruch des Fettes widerwärtig und seine Schlüpfrigkeit unangenehm, doch nach einer kurzen Weile bemerkte ich es überhaupt nicht mehr.
    Nun wandte sich der Imbe-Jaqqa mir zu und sagte: »Schwöre mir, beim Wind und Himmel und den Knochen der großen Mutter, daß alles, was hier vor sich geht, immer dar geheim bleiben wird. Und wenn du diesen Eid verletzt, wird dein Körper zerfallen, und du wirst immerdar von Ameisen zerfressen werden, doch du wirst auf ewig leben, während sie an dir fressen. Schwöre es mir darauf!«
    Und er legte einen Talisman in meine Hand, der aus einem schwarzen Ebenholz von großem Gewicht geschnitzt war und die Form eines Gliedes und zweier Hoden hatte. Diesen ergriff ich am Glied, und er sagte: »Schwörst du das?«
    »Das schwöre ich«, erwiderte ich. »Beim Wind und Himmel und den Knochen der großen Mutter, ich werde niemandem verraten, was heute in diesem Haus vonstatten geht.«
    Dies habe ich geschworen. Und doch verrate ich alles, indem ich diese Worte niederschreibe. Und wenn ich auf ewig von Ameisen zerfressen werden sollte, soll dem so sein, denn ich habe mir selbst einen höheren Eid geleistet, nämlich, in allen Belangen meines Abenteuers die Wahrheit zu berichten. Ich glaube, dieser Eid hat Vorrang über den an Imbe Calandola. Und ich werde Euch alles berichten.
    Nachdem ich den Eid geleistet hatte, bekam ich einen Becher zu trinken, der eine bittere Flüssigkeit enthielt, einen Trank, der aus gewissen getrockneten Wurzeln und Blättern gebraut wird; aus welchen, weiß ich nicht. Dieses Zeug zu trinken, war nicht leicht. Schon bald lief meine Haut rot an, und meine Augen weigerten sich, mir richtig zu dienen, sondern zeigten mir alles doppelt oder dreifach. Und ich fühlte ein seltsames, gewaltiges Strömen in meinem Kopf, als sei ich zu einem mächtigen Wasserfall geworden, der himmelwärts strömte und sich unentwegt in den Himmel ergoß. Und mein Gehör wurde empfindlicher, so daß die Trommeln und Pfeifen draußen zu einem gewaltigen Lärm anschwollen, und ich konnte auch die leisen, harten, raschelnden Geräusche von Insekten wahrnehmen, und – das glaubte ich zumindest – das flüsternde Rascheln des wachsenden Grases. Und flammende Farben strömten in die Luft, ein wilder, lodernder Strom aus roten, grünen und purpurnen Bannern, die nicht körperlich waren, sondern nur aus Farbe bestanden.
    Während ich von all diesen Dingen benommen und verwirrt dasaß, tanzten die anderen überaus bedrohend um mich und um Imbe Calandola herum, der neben mir saß. Sie schwenkten die Arme, schüttelten die Fäuste und hoben die Füße, als wollten sie

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