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Herr der Finsternis

Herr der Finsternis

Titel: Herr der Finsternis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Silverberg
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würde die Päderasten nicht auf den Scheiterhaufen bringen oder sie pfählen, wie es so häufig geschieht, oder sie ins Meer werfen, denn das ist auch nicht meine Art. Und ich weiß, daß viele große Männer dieses Laster gehabt haben und noch immer große Männer sind, aye, manche sogar König von England. Dies ist nicht mein Vergnügen.
    Doch meine Ängste erwiesen sich als überflüssig, denn der Imbe-Jaqqa neigte genauso wenig zur Päderastie wie ich. Was zwischen uns geschehen war, war eine rituelle Tat von hoher geistiger Bedeutung und führte zu keinen Änderungen in unserem Verhältnis. Er ging zu seinen vielen Frauen zurück und ich zu der meinen. Doch andere Dinge hatten sich verändert.
    Kinguri kam an diesem Morgen zu mir und sagte, wobei er geistesabwesend und sehr niedergeschlagen wirkte: »Nun, so hat er dich für sich beansprucht, Bruder.«
    »Es geschah, um mich noch mehr zum Jaqqa zu machen.«
    »Aye, deshalb geschah es. Bist du jetzt noch mehr ein Jaqqa?«
    »Ich habe neue Dinge gesehen, Bruder«, sagte ich. »Doch schau: Zwischen uns hat sich nichts geändert, und ich bin immer noch dein Bruder und dein bester Freund, und wir werden noch viele Stunden damit verbringen, über die Gesetze Englands zu sprechen und darüber, wie sie sich von denen Frankreichs unterscheiden und über andere Dinge.«
    »Wir sind noch Brüder, aber du gehörst nun ihm.«
    » Er ist der Imbe-Jaqqa. Ich konnte mich nicht weigern.«
    »Das ist richtig«, sagte Kinguri. »Du konntest dich nicht weigern. Und du bist nun eins mit ihm.«
    »Wir alle sind eins mit ihm«, sagte ich, da ich dieses Gespräch als höchst unbeholfen und unangenehm empfand, wie das zwischen einem Mann und dessen Frau, nachdem er sie wegen einer neuen Geliebten verlassen hatte. »Komm, Kinguri, weise mich nicht zurück! Ich konnte mich nicht weigern.«
    »Dies habe ich begriffen.«
    »Hast du den gleichen Ritus mit ihm gehabt?«
    »Das durfte nicht sein. Ich bin sein Mutter-Bruder.«
    »Aber du hast den Ritus gehabt?«
    »Das habe ich«, sagte er.
    »Und mit wem?«
    »Zum einen mit Ngonga. Und mit einem Mann, der jetzt tot ist.«
    »Aber sie sind nicht deine Brüder geworden?«
    »Nein«, sagte er, »ich habe nur Calandola als Bruder und dich.«
    »Warum weist du mich dann zurück, wenn das Bruder- Ritual ein engeres ist als jenes andere? Selbst jetzt bin ich lieber mit dir zusammen als mit ihm.«
    »Ach, das bist du also?« sagte er. »Aber was du mit Calandola hattest, hatte noch kein anderer mit ihm.«
    Und deshalb war er verdrossen und verletzt, fühlte sich betrogen und zurückgewiesen. Es war auf eine Art, die nicht die des Fleisches war und die wir alle gewißlich kennen, wie bei allen Liebhabern: Er hatte mich mit einem anderen geteilt, der mächtiger war, und glaubte nun, daß etwas verschüttet worden war. Dennoch konnte er nicht sehr überrascht sein, daß dies geschehen war, wußte er doch, daß Calandola ihn für einen Rivalen hielt und daß er deshalb nach allem begehrte, was Kinguri hatte. Von Anfang an war ich für Calandola etwas Kostbares gewesen, ein Überbringer des Lichts und der Helligkeit im Dunkel des Dschungels, was ich daran erkannt hatte, wie er mein helles Haar berührt hatte. Also konnte man es nicht reparieren: Ich war das Spielzeug dieser beiden mächtigen Brüder, und ich mußte auf mich selbst achtgeben, daß sie mich nicht in ihrem Kampf um mich zerrissen.
    Danach war Kinguri höflich zu mir und ich zu ihm, doch wir gingen kühl miteinander um und gaben vor, daß sich nichts verändert hatte, während wir beide wußten, daß sich eine große Änderung vollzogen hatte. Er lud mich nicht mehr ein, mit ihm auf die Jagd zu gehen, und er kam nicht mehr in meine Hütte, um mich in tiefsinnige Gespräche zu verwickeln, was ich bedauerte. Doch bei den Festen saßen wir Seite an Seite, lächelten und gaben nach außen den Anschein brüderlicher Verbundenheit.
    Das Verhältnis zu den anderen Jaqqas erfuhr auf eine andere Art ebenfalls eine Veränderung. Dank meines goldenen Haars und meiner weißen Haut hatten sie mich alle für eine Art Ndundu -Geschöpf gehalten, für einen Albino einer neuen Rasse und mit magischen Kräften. Diese Ehrfurcht war beträchtlich erhöht worden, indem ich Kinguris Blutsbruder wurde, und nun noch mehr, weil ich mit dem Imbe-Jaqqa diesen innigen Ritus vollzogen hatte. So schritt ich nun zwischen ihnen einher wie ein Mann, der elf Fuß groß war und dessen Füße den gewöhnlichen Erdboden nicht

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