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Herr der Finsternis

Herr der Finsternis

Titel: Herr der Finsternis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Silverberg
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getan habe. Hast du das verstanden?«
    »Ah, Andres, Andres, ich will dir keine Schwierigkeiten bereiten! Ich habe nur ein wenig gescherzt.«
    »Scherze ein anderes Mal«, sagte ich. Denn ich war wegen ihres Stolzes sehr erzürnt und empfand wieder weniger für sie. Ihr Leben zu retten hatte mich bei Kinguri einiges gekostet, doch das mußte ich ihr nicht erklären; ich mußte mir nur sicher sein, daß sie bei dem falschen Spiel, das ihr Leben gerettet hatte, auch mitspielte.
    »Und diese beiden?« sagte sie nach einem Augenblick.
    »Ich habe keine Gewalt über ihr Leben. Man wird sie töten.«
    »Ah«, sagte sie. »Nun, dann müssen wir wohl für ihre Seelen beten.« Sie wirkte nicht übermäßig bekümmert. »Du bist ein Verwandter dieser Menschenfresser, sagst du, Andres?«
    Ich zögerte, diese Frage zu beantworten. »Sie haben mich als engen Gefährten aufgenommen«, entgegnete ich schließlich. »Es liegt an meiner Haut und meinem Haar; ich glaube, sie haben Ehrfurcht vor seiner Farbe. Und vor meiner Muskete, die ich in ihren Diensten sehr oft eingesetzt habe.«
    »Du kämpft in ihren Schlachten?«
    »Aye«, antwortete ich. »Ich bin ein großer Krieger.«
    Sie trat ein wenig zurück und starrte mich an, als wäre mir ein Satans-Schweif gewachsen oder als spucke ich Feuer. Hinter uns wurde der Lärm der Trommeln und der anderen Musik wesentlich heftiger. Es war nun beinahe völlig dunkel, und eine schwere Hitze senkte sich, in der kleine Tropfen Feuchtigkeit hingen, und hinter dem Kreis unserer Feuer schrien die Geschöpfe des Dschungels.
    »Du sprichst mit guten portugiesischen Worten zu mir«, sagte sie leise und mit seltsam klingender Stimme, »und ich glaube, du bist noch der Mann, den ich in São Paulo de Luanda kannte, der so geradeheraus und aufrecht war. Und dann betrachte ich dich, und ich sehe diese Zeichen des Heidentums auf deinem Körper und höre, daß du in Jaqqa-Schlachten gekämpft und ihnen große Dienste erwiesen hast, und ich weiß, daß du ein Wechselbalg bist, Andres.«
    »Ein Wechselbalg. Aye«, sagte ich. »Ich glaube, das bin ich; eine andere Seele ist hinter mein Gesicht geschlüpft. Und das Gesicht hat sich auch sehr verändert, nicht wahr?«
    »Als du zu mir kamst, habe ich dich kaum erkannt«, sagte sie. Nun war ein Zittern in ihren Armen, und vielleicht auch noch woanders, und ihre Augen waren starr und hart vor Furcht. »Ich dachte, was ist dies für ein Geschöpf, das die Haut eines Weißen, aber das Aussehen eines Jaqqas hat? Und ich war zutiefst verängstigt. Und ich bin auch jetzt noch zutiefst verängstigt.«
    »Bist du das?«
    »Hör doch! Hör doch! Die Flöten, die Trommeln, der Gesang. Überall um uns herum sind Teufel.«
    »Aye.«
    »Und du, du bist selbst ein halber Teufel.«
    »Mehr als ein halber vielleicht. Doch was bekümmert dich das? Du bist selbst eine Teufelin.«
    »Nay«, sagte sie und schlug das Zeichen des Kreuzes. »Nay, du verstehst mich nicht.«
    »Dich, mit deinen Idolen und deinen Hexengesängen?«
    »Ich bin Christin, Andres. Ich benutze nur die älteren Dinge, wenn es nötig ist. Doch ich bin keine Hexe!«
    »Ah«, meinte ich. »Wenn du es sagst, muß es so sein.«
    »Verspotte mich nicht. Ich bin nicht die Hexe, für die du mich hältst, und ich habe fürchterliche Angst. Ich glaube, wir sind in der Hölle. Doch wo sind die Feuer? Wo sind die Kobolde?«
    »Siehst du die Feuer nicht?«
    »Diese da?« sagte sie erschaudernd. »Werden sie im Laufe der Nacht höher lodern? Sind es wirklich Höllenfeuer, Andres? Und sind das da Dämonen um mich herum oder nur Menschen und Wilde? Oh, Andres, wie haben sie dich so verhexen können?«
    Wegen ihrer Blässe und ihres Zitterns dachte ich, sie würde wieder weinen, doch das tat sie nicht. Sie war einfach durch all das, was sie um sich herum sah – und auch durch das, was sie in meinem Gesicht lesen konnte –, bis in den Kern ihrer Seele erschüttert.
    »Komm«, sagte ich, »ich bringe dich zu den Jaqqa-Fürsten.«
    »Was, und wir werden prächtig mit ihnen speisen, als wären wir alle hier Edelmänner und ebensolche Damen?«
    »Wir speisen mit ihnen«, sagte ich, »oder sie verspeisen dich. Was ziehst du vor?«
    »Und was werden wir essen? Das Fleisch von…?«
    Sie konnte es nicht aussprechen. Sie war vor Ekel gelb im Gesicht.
    »Ich werde dich nicht dazu zwingen. Doch sie sind die Herren dieses Ortes. Wir müssen ihnen unsere Freundschaft zeigen.«
    »Ja. Ja, ich verstehe. Es geht darum, am Leben zu

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