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Herr der Finsternis

Herr der Finsternis

Titel: Herr der Finsternis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Silverberg
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Andres«, sagte sie schließlich.
    »Mich auch, eine Zeitlang zumindest. Doch ich lebe, und das ist Grund genug für alles.«
    »Manchmal zieht man es vor, den Tod zu wählen.«
    »Manchmal«, sagte ich. »Aber diesem Manchmal bin ich noch nicht begegnet.«
    »Wie bist du zu ihnen gekommen?« fragte sie.
    Ich lachte verbittert. »Durch den üblichen Verrat deiner Brüder, der Portugiesen«, erwiderte ich. »Sie haben mich einem Schwarzmohrhäuptling als Faustpfand zurückgelassen und nicht wieder ausgelöst. Dann wollten die Schwarzmohren mich erschlagen, und ich bin ihnen entschlüpft und den Menschenfressern begegnet, die mir das ehrlichste Volk diese Landes zu sein scheinen, da sie allein keine Tugenden vorgeben, die sie nicht haben.«
    »Ah. Und du hast dich ihnen angeschlossen.«
    »Ich wurde willkommen geheißen. Man hat mir eine Heimat gegeben, einen Rang und eine der Frauen des Königs zum Weib…«
    »Eine Frau?« rief sie erstaunt. »Aber jetzt bin ich deine Frau!«
    »Dann habe ich zwei.«
    »Ah«, sagte sie. »Ich verstehe. Du bist ein Heide durch und durch; das wird mir immer deutlicher.«
    »Ich hätte mehr Frauen haben können. Ich nahm nur eine. Ich würde noch immer nur eine haben, Teresa, doch dies erschien mir eine Möglichkeit, dein Leben zu retten. Wenn du es vorziehst, mußt du nicht meine Frau sein. Wie du gerade gesagt hast, zieht man es manchmal vor, den Tod zu wählen. Und der Tod erwartet dich in diesen Kesseln. Nun?«
    »Ich bin deine Frau«, sagte die verdrossen.
    »Dann beschuldige mich nicht der Schande, zwei Frauen zu haben.«
    »Wo ist deine erste Frau? Warum ist sie nicht an deiner Seite?«
    »Sie tanzt dort, mit den anderen Frauen. Siehst du, das junge Mädchen mit dem rot gefärbten Haar?«
    Doña Teresa blickte in die Richtung, in die ich mit meinem Finger wies, und kniff in der raucherfüllten Dunkelheit die Augen zusammen, bis sie Kulachinga erspäht hatte, die über aus eifrig tänzelte und sprang, mit schwingenden Brüsten, den Körper glänzend vor Schweiß und Ölen. Auf mich wirkte Kulachinga durchaus schön; doch einen Augenblick später sah ich sie durch Doña Teresas Augen, mit ihren Wundmal-Narben, den dicken Lippen, dem schweren Hinterteil, was alles ihre Dschungelherkunft verriet. »Diese da ist deine Frau?« sagte Doña Teresa. »Du liegst mit ihr, Andres?«
    »Aye, das tue ich.«
    »Als du am Anfang in dieses afrikanische Land gekommen bist, hast du dich voller Stolz abseits gehalten und sogar mich für ein fremdes Geschöpf gehalten. Ja, und jetzt kopulierst du freudig mit einer eingeölten Menschenfresserin, die roten Ton in ihr Haar schmiert.«
    »Ich bin vor vielen Jahren in dieses Land gekommen, Teresa.«
    »Wie hast du dich verändert!« Und mit leiserer, rauher, zitternder Stimme fuhr sie fort: »Ich kann meinen Schrecken vor dir nicht ablegen. Ich kann nicht umhin, mich noch immer vor dir zu fürchten.«
    »Dann bin ich also so erschreckend?«
    Sie wandte sich mir zu, und ihre Nüstern blähten sich auf, und ihre Augen waren hell und hart, und ich wußte, daß sie mich fürchtete und daß sie sich haßte, weil sie ihren lieben alten Andres fürchtete, den man so leicht an der Nase herumführen konnte. »Du weißt, daß ich zum Teil Afrikanerin bin«, sagte sie nach einem Augenblick, »obwohl ich vorgebe, daß dies nicht der Fall ist und diese Seite meines Blutes sogar vor mir verberge und mir das Gehabe einer portugiesischen Dame gebe. Aber du! Du, der du ein reiner, hellhäutiger Engländer bist! Du bist zu drei Vierteln ein Wilder geworden und darüber hinaus ein überaus teuflischer Wilder. Ich kannte dich, als du noch wie ein großer Junge warst, die Ehre eines Schulknaben hattest, die sehr bezaubernd, wenn auch ein wenig töricht anmutete. Es ist eine überaus erschreckende Verwandlung.«
    »Ach ja? Ich habe nicht darum gebeten. Ich könnte schon seit Jahren ein ruhiges Leben in England führen und hätte nichts von dem hier getan.«
    »Ist von England überhaupt noch etwas in dir übrig, Andres?«
    »Es ist tief unten.«
    »Das glaubst du wirklich?«
    »Das hoffe ich«, sagte ich, wobei ich mir alles andere als sicher war. »Ich passe mich meinen Umgebungen an, Teresa«, sagte ich überaus eindringlich zu ihr. »Das ist meine Art zu überleben, und das Überleben ist mir ein sehr hohes Ziel, wie es wohl auch bei dir der Fall ist. Ich glaube, wir sind uns in vielem ähnlicher, als daß wir uns unterscheiden, und deshalb ziehen wir uns so stark an, und

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