Herr der Finsternis
deshalb hast du mir diesen Schlag versetzt, als du glaubtest, du hättest mich verloren.«
»Sprich nicht von dieser Zeit, Andres. Du sagtest, wir würden deshalb keine Feinde sein.«
»Ah. Das habe ich gesagt. Und wir sind keine Feinde, nicht wahr? Oder doch? Nun bist du doch meine Frau, nicht wahr?«
»Ich und auch diese Kannibalenfrau. Du hast zwei Frauen.«
»Aye, zwei Frauen. Der König hat etwa vierzig. Ich kann zwei haben.«
»Nimmt man sich auch in England zwei Frauen gleichzeitig?«
»Dies ist nicht England.«
»Ich glaube, du sprichst die Wahrheit«, sagte sie. Und sie lächelte und schien sich ein wenig zu beruhigen. »Du bist so seltsam, Andres, wie du jetzt bist. Doch ich kann mich wohl daran gewöhnen. Ich werde hier deine Frau sein, obwohl du mich erschreckst. Ich werde auf der einen Seite von dir liegen, und die Menschenfresser-Frau… wie heißt sie?«
»Kulachinga.«
»Kitchalunga. Sie wird auf der anderen liegen. Und wir werden dich eng zwischen uns nehmen und uns an deinem Körper reiben. Gibt es eine bessere Art zu leiden?«
»Ich glaube, deine Lebensgeister kehren zurück, Teresa.«
»Es ist der Wein«, sagte sie. Und lächelte wieder, doch es war ein dunkles und scharfwinkliges Lächeln, denn tote Portugiesen kochten in dem Kessel, und lebendige waren an den Baum gefesselt, und die Menschenfresser tobten und tanzten überall herum. Und das waren Realitäten, die man nicht einfach mit einem Scherz umstoßen konnte.
Nun wurde das Fleisch serviert; zuerst dem Imbe-Jaqqa, dann Kinguri, dann mir. Teresa zischte ein wenig, als man uns den Teller reichte, und wandte den Blick ab, und ein Großteil ihrer brüchigen, neu gewonnenen Ruhe fiel von ihr ab.
»Ich will nichts davon«, sagte ich zu dem Diener. Denn ich wollte nicht, daß Teresa sah, wie ich solches Fleisch aß; obwohl ich mich in meiner langen Zeit unter den Jaqqas an ihre Bräuche gewohnt hatte, konnte ich nichts von dem Fleisch des Don Fernão de Souza essen, das man uns aller Wahrscheinlichkeit nach hier auftrug; genausogut hätte ich meinen rechten Arm zum Mund führen, einen Fleischbrocken abbeißen und zu kauen anfangen können. So wurde das Tablett weitergereicht, und wir tranken unseren Wein und aßen unseren Brei. Es war ein ganz alltägliches Fest der Jaqqas, an denen ich schon oft teilgenommen hatte, doch heute abend sah ich es, wie Doña Teresa es sah, und ich glaube, es brachte mich irgendwie wieder zu Verstand, diese Festlichkeiten mit ihren Augen zu sehen.
Sie blieb beherrscht und hielt ihre Tränen und ihre Furcht zurück. Das Fest wurde zu wild und laut, als daß wir noch hätten Worte wechseln können, und wir saßen nebeneinander und sagten wenig. An unserem hohen Tisch wurde viel gelacht und gepoltert, und es wurden große Mengen Wein getrunken.
Doch es waren auch einige Risse zwischen dem Imbe-Jaqqa und seinem Bruder ersichtlich: Ich sah, wie sie flüsterten und heiße Blicke wechselten, und einmal kam der Medizinmann Kakula-banga zu ihnen und schien die Rolle eines Vermittlers in einem großen Zwist zu spielen. Den Worten, die ich verstehen konnte, entnahm ich, daß sie immer noch darüber stritten, ob Doña Teresa verschont werden sollte, was Kinguri für einen Fehler hielt.
Der listige Kinguri – daß er in ihr die Macht sah, die dort verborgen lag! Fast auf den ersten Blick zu wissen, daß sie eine Frau mit großer Macht war, die man am besten erschlagen hätte, während sie noch gefesselt war! Ich bewunderte die Schärfe seines Verstandes und fürchtete die Konsequenzen, mich ihm in den Weg gestellt zu haben; und irgendwie wußte ich, daß ich, als ich gegen die starken Vorbehalte Kinguris Doña Teresas Leben von Imbe Calandola erbeten hatte, die Kluft, die sich zwischen den beiden Brüdern öffnete, noch verbreitert und die Schwierigkeiten meiner eigenen Position im Jaqqa-Lager vergrößert hatte.
Schließlich ließen die Brüder das Thema fallen, und Calandola lenkte sich ab, indem er einen Ringkampf befahl. Mein Golambolo und ein Mann namens Tikonje-nzinga traten als erste vor, und sie sahen einander an, streckten die langen Arme aus und begannen mit dem langsamen und ruhigen Tanz, der das Vorspiel und die Einführung in ihren Kampf war.
Solch einen Ringkamp hatte ich bei den Festen dieser Menschenfresser oft gesehen, und immer hatte ihm eine wilde Schönheit innegewohnt. Der Sinn dieses Wettstreites lag darin, die Flinkheit und Geschicklichkeit zu zeigen, die er erforderte, und es kam dabei
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