Herr der Finsternis
lassen.«
»Ich glaube, man sagt ihnen vieles zu Unrecht nach.«
Ihre Augen weiteten sich, und sie lachte überaus zornig. »Was? Du verteidigst die Menschenfresser? Bist du von deinen Wanderungen im Dschungel völlig verrückt geworden, Andres? Sie sind Ungeheuer!«
»Aye«, sagte ich.
»Wie kannst du ihnen dann etwas Gutes nachsagen?«
»Dieses Land ist eine Grube von Ungeheuern«, sagte ich leise und streng, »sowohl von weißen wie auch schwarzen, die einander ihr Land rauben und ihr Leben. Je mehr ich von den Portugiesen sah, Teresa, desto weniger verabscheute ich die Jaqqas.«
»Und so bist du einer von ihnen geworden? Und wirst mit ihnen gegen mein Volk kämpfen, wenn sie gegen São Paulo de Luanda marschieren?«
Darauf gab ich ihr keine Antwort.
»Wirst du das? Was wirst du in diesem Krieg tun? Was ist aus dir geworden, Andres? Was ist nur aus dir geworden?«
Als wir diese Worte wechselten, schritten wir die Ausläufer des Jaqqa-Lagers ab, das sich wie eine Springflut über die trockene Ebene zur Stadt Agokayongo erstreckte. Und über all um uns herum wurden Kriegsvorbereitungen betrieben, Klingen geschmiedet und Bogen bespannt, was Doña Teresa nicht entging. Vor uns lag das zweite Heer, das des Kafuche Kambara, das sich zu einer Allianz mit uns verbündet hatte und beinahe so stark wie das unsere war. Auch dies beobachtete Doña Teresa, und ich wußte, daß sie sich vor ihrem geistigen Auge vorstellte, wie sich diese barbarische Horde in einer Sturzflut auf São Paulo de Luanda ergoß, wobei zehn oder mehr Wilde auf jeden Portugiesen kamen, und dort auf schreckliche Art und Weise raubte und metzelte, plünderte und schändete. Ich bemerkte, wie ernst ihr Gesicht war, und verstand die Furcht in ihrem Herzen. Und dennoch bot ich ihr in diesem Augenblick keinen Trost.
Nicht weit von uns entfernt erspähte ich eine sich auftürmende Gestalt, die langsam durch das Lager schritt. Es war der Imbe-Jaqqa, der allein bis auf eine Leibwache, die ein paar Schritte hinter ihm folgte, eine Musterung seiner Männer vornahm.
»Andubatil!« rief er, als er mich erblickte, und winkte mich zu sich.
»Dein König ruft dich«, sagte Doña Teresa verbittert. »Geh zu ihm!«
»Laß uns beide gehen.«
»Das werde ich nicht«, sagte sie, trat ein paar Schritte zurück und lehnte sich gegen einen Baum mit großen, gewundenen Wurzeln, die auf dem Erdboden wie aufgeschwollene Schlangen anmuteten.
Ich stellte sehr bald fest, daß Calandola in einer nachdenklichen und etwas versonnenen Stimmung war und nichts von seinem lauten, tosenden Gehabe an sich hatte; dennoch haftete ihm dieser deutliche Anschein von Erhabenheit an, von kaum beherrschter Macht, die jeden Augenblick hervorbrechen konnte, was wohl das erschreckendste an ihm war. Er legte die Hand auf meine Schulter und sah mir mit seinem kalten, funkelnden, diabolischen Blick tief in die Augen. »Nun, Andubatil«, sagte er mit seiner tiefen, fürchterlichen Stimme, »bist du erfreut, deine Frau wieder bei dir zu haben?«
»Das bin ich, und zwar sehr, großer Imbe-Jaqqa.«
»Es hat mich viel Zorn meines Bruder Kinguri gekostet, der sie aus tiefstem Herzen verabscheut.«
»Das weiß ich«, sagte ich. »Ich würde Kinguri gern aufsuchen und seine Furcht vor ihr beruhigen, doch er weicht mir aus.«
»Ich dachte, du und er, ihr wäret enge Freunde.«
»Das dachte ich auch, Fürst Calandola.«
»Er ist sehr klug, nicht wahr?«
»Er hat einen scharfen Verstand«, sagte ich.
Calandola lächelte, wandte den Blick ab, legte die Hand auf seinen gewaltigen Stiernacken und drückte ihn, und nach einem Augenblick erklärte er: »Kinguri ist auch ein großer Narr.«
Darauf erwiderte ich nichts.
»Ein Narr«, sagte Calandola, »denn sein Verstand ist voller Gedanken über Portugal und England und Europa und andere Orte, die keine Bedeutung haben. Und er will alles von deinem Gott wissen und deinem Teufel und den anderen christlichen Mokissos. Warum sollten solche Dinge eine Rolle spielen? Sie sind unwirklich. Sie sind bedeutungslos.« All dies sagte er ganz ruhig, wenngleich ich, wie immer, einen rauchenden Schmelzofen in diesem Mann oder Dämon oder was immer er auch sein mochte, zu sehen glaubte. »All diese Dinge werde ich vom Antlitz der Welt wischen«, fuhr er genauso ruhig fort. »Und dann wird eine Zeit des Glücks und des einfachen Lebens kommen. Es wird nur ein Volk geben. Es wird nur eine Sprache geben. Es wird nur einen König geben. Und so wird es auch besser
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