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Herr der Finsternis

Herr der Finsternis

Titel: Herr der Finsternis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Silverberg
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unserer Drangsal; in der Zeit unseres Reichtums; in der Stunde unseres Todes und am Tag des Jüngsten Gerichts, Guter Gott, erlöse uns«, was sie überaus heftig betete.
    Dann erhoben und umarmten wir uns, und durch meinen Verstand rollten wie auf einer endlosen Schrifttafel alle Bilder meines Lebens mit dieser Frau, vom ersten bis zum letzten, unsere große Wollust und unser freudiges Liebesspiel, unser Leid und die Verstimmungen, unsere Abschiede und Wiedersehen, und ich fühlte Tränen in meinen Augen und hielt sie zurück, um keine Trauer in ihr zu wecken. Doch schließlich konnte ich sie nicht mehr zurückhalten, und wir weinten gemeinsam, und ich küßte sie zärtlich, und sie sagte: »Geh nun. Ich bin bereit für das, was da kommen muß, Andres.«
    »Wir werden nur daran glauben, und du wirst verschont bleiben.«
    »Das glaube ich nicht, Andres.«
    »Wir geben die Hoffnung nicht auf, meine Dame, bis die Hoffnung selbst hoffnungslos ist.«
    Als ich mich zum Abschied wandte, griff sie nach meiner Hand, drückte etwas hinein und schloß meine Finger darum, wie sie es vor so langer Zeit schon einmal mit ihrem geschnitzten Liebesidol getan hatte. Ich öffnete meine Hand und sah, daß sie mir ein kleines goldenes Kruzifix gegeben hatte, das ich oftmals zwischen ihren Brüsten gesehen hatte.
    »Nimm es«, sagte sie. »Es soll dich an mich erinnern.«
    »Du solltest es behalten.«
    »Ich werde es bald nicht mehr brauchen. Nimm es, Andres.«
    Ich konnte ihr nicht sagen, daß dieses Stück Gold für mich genauso ein Idol wie jenes andere war; in der Tat empfand ich, so seltsam es sich anhört, in diesem Augenblick auch nicht unbedingt so, sondern erkannte darin eine Art von Macht, was wohl bedeutete, daß Afrika ein wenig in meine Seele eingedrungen war und mich bis zu einem gewissen Ausmaß wenn auch nicht zu einem Papisten, so doch zu einem Idol-Anbeter gemacht hatte. Doch ich glaube, ich empfand die Macht darin hauptsächlich, weil es von Doña Teresa kam. So nahm ich es, hing es mir um und dankte ihr.
    Und ich ging von ihr, und der Käfig wurde hinter mir geschlossen, und ich ging eine lange Zeit im Jaqqa-Lager umher, lauschte den seltsamen und barbarischen Geräuschen, dem Intonieren, dem Gesang, dem Spielen der Instrumente und dem Schärfen der Messer, und als ich zu dem Platz kam, wo die Kessel standen, war bereits ein Feuer entfacht, und das Wasser kochte schon. Und bei diesem Anblick stieg eine gewaltige Wut in mir empor, so daß ich darüber nachsann, Calandola zu ergreifen und ihn als Geisel für Teresas Leben zu halten und mit ihr neben mir und dem Imbe-Jaqqa an der Spitze meines Schwertes aus dem Lager zu fliehen; doch ich wußte, daß dies Torheit war.
    Allmählich zog ich mich von der Versenkung in die Lebensweise der Jaqqas zurück und begann meine Rückkehr zur Zivilisation. Ihre Absicht, Doña Teresa zu erschlagen, und ihre anderen Vorhaben nahmen die Farbe von Blut an, und ich löste mich von ihnen und stand zögernd da, schwankte zwischen der Seite Gottes und der des Satans. Denn ich sah, daß Gott der Geist ist, der Yeah ! ruft, und Satan der Geist, der Nay ! ruft, und während meiner afrikanischen Gefangenschaft hatte ich schließlich genauso laut Nay ! gerufen wie der Satan und war bereit gewesen, alles niederzureißen, um meinen eigenen Schmerz zu lindern. Denn eine Zeitlang war ich verrückt gewesen, glaube ich, oder hatte geträumt. Und während dieser Zeit hatte ich mich Calandola ausgeliefert, für den der Akt der Vernichtung der Akt der Schöpfung war. Ich hatte eine Zeitlang die Poesie in dieser seltsamen Begattung von Vorstellungen gesehen. Doch nicht länger. Und nun wanderte ich, verzweifelt, verloren, zwischen der einen und der anderen Welt.
    In diesem Augenblick kam Golambolo laufend und schwer atmend zu mir, als hätte er eine große Entfernung zurückgelegt. Er sprang auf seinen langen Beinen zu mir und keuchte, bevor er sprechen konnte, und schließlich überschlugen sich seine Worte.
    »Die Portugiesen! Sie kommen näher, o Andubatil! Sie kommen auf uns zu!«
    »Dann ist das ein Angriff?«
    Er schüttelte den Kopf. »Ich glaube nicht. Ich glaube, sie bewegen sich nur zufällig in unsere Richtung. Doch wenn der Morgen kommt, werden sie über unsere äußeren Streitmächte stolpern.«
    »Wie weit sind sie nun von uns entfernt?«
    »Vielleicht eine Stunde oder zwei oder drei. Sie haben ein Lager für die Nacht aufgeschlagen.«
    »Ah. Und wo sind sie?«
    »In der Richtung von Langere,

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