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Herr der Finsternis

Herr der Finsternis

Titel: Herr der Finsternis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Silverberg
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Stunde,
zur Woche – nur zu einem Tag…
     
    Nun spielten die Musiker, nun tanzten die Nganga -Männer und schrien und beschworen ihren Mokisso, den Teufel. Und die Sklaven der Jaqqas trugen große lederne Säcke mit Palmwein herbei, weiß Gott genug von dem Zeug, um die ganze Spanische Armada ans Schwimmen zu bringen, und reichten ihn herum, füllten die Becher immer und immer wieder. Und all dies, während Doña Teresa nackt inmitten dieser barbarischen Menge stand und mit auf dem Rücken verschränkten Händen überaus ruhig ihren Tod erwartete.
    Laß es eine lange Zeremonie werden, betete ich. Laß sie Stunden und Stunden springen und tanzen, so daß die Retter rechtzeitig kommen. Ich legte großes Vertrauen in diese Retter. Ich war zuversichtlich, daß Gottes Vorsehung Doña Teresa vor dem Tod behüten würde.
    Doch… wie sagte Faustus noch?
     
    Wie sonst gehn Zeit und Sterne, und der Pendel
holt aus zum Schlag! der Teufel kommt! und Faust
fällt in Verdammnis!
     
    Sie werden Kulachingas Nachricht nicht verstehen, dachte ich; oder sie werden sie nicht glauben und für eine Falle halten; oder sie werden sie ignorieren. Warum war ich nicht selbst gegangen? Warum hatte ich nicht früher einen Boten zu den Portugiesen geschickt? Ich quälte mich mit tausend solchen Fragen, von denen jede müßig war.
    Mein Nachsinnen wurde unterbrochen, als der Jaqqa Kasanje meinen Arm berührte und sagte: »Calandola will mit dir sprechen, o Andubatil.«
    Schrecken! O Berge und Hügel, kommt, kommt und stürzt über mir ein und verbergt mich vor ihm! Denn ich war mir sicher, daß er von meinem Verrat wußte: daß Kulachinga ergriffen worden war, daß sie alles gestanden hatte, daß man mir meinen Verrat vorwerfen und ich neben der Portugiesin sterben mußte.
    Ich setzte eine feste und nichts enthüllende Miene auf und ging zum Tisch des Imbe-Jaqqa, der mich sehr ernst begrüßte, fast abweisend und grimmig; und als sich unsere Blicke begegneten, mußte ich all meine Willenskraft aufbringen, um nicht vor ihm niederzuknien und meine Verfehlung zu gestehen.
    »Wenn das Fest sein Ende gefunden hat«, sagte er zu mir, »muß ich dringend mit dir sprechen, Andubatil.«
    Ah, er wußte also von meinem Verrat!
    Doch nein, es war eine völlig andere Sache. Denn als ich ihn so steinern ansah, sagte er: »Ich habe heute viel erfahren, das wichtig für mich ist. Die Verschwörung gegen mich, die ich befürchtet und über die ich mit dir gesprochen habe: Sie ist wirklich, sie ist reif. Ihr Führer ist mir nun bekannt. Er hat vor, sehr bald zuzuschlagen. Doch ich werde zuerst zuschlagen, Andubatil, und du wirst an meiner Seite sein, wenn wir meine Feinde erschlagen.«
    Also wußte er nichts von meinem Verrat, wofür ich eine unermeßliche Erleichterung empfand.
    »Ah, wer ist denn der Feind?« sagte ich.
    »Später werden wir uns allein unterhalten.« Er nahm meine Hand zwischen seine riesigen Pranken. »Dir allein kann ich vertrauen. Du allein bist mein Bruder.«
    Was mich mit Scham erfüllte, da er solch eine Liebe für mich empfand und ich solch einen Verrat gegen ihn begangen hatte. Und Calandolas Worte – »Du allein bist mein Bruder!« – machten mir auch klar, wer der Feind sein mußte. Also würde diese Nacht eine Nacht vieler Abrechnungen sein.
    Aber eine war vordringlich. In der Hoffnung, er würde mir diese eine große Gunst gewähren, weil er mich brauchte oder weil er mich liebte, sagte ich mit leiser Stimme zu ihm: »Darf ich dich nun noch einmal bitten, o Imbe-Jaqqa, der Portugiesin Gnade zu erweisen und…«
    »Nein!« brüllte er wie ein erzürnter Löwe.
    »Ich bitte…«
    »Nein«, sagte er erneut, leiser diesmal, und schüttelte den großen Kopf. »Es darf nicht sein, Andubatil! Ich bitte dich, belästige mich damit nicht mehr. Sie ist verloren. Nichts kann sie retten. Nichts! Sie hat Verrat begangen; sie muß sterben, oder keiner mehr wird meine Macht respektieren.«
    »Ah.«
    »Vergiß sie. Sie ist dir verloren. Geh nun an deinen Platz. Doch komme danach zu mir und halte dein Schwert bereit; denn ich glaube, diese Nacht wirst du es brauchen.«
    Es bestand keine Hoffnung. Ihr Tod war beschlossene Sache.
    Und was nun? Wie konnte ich die Zeit aufhalten? Von den Portugiesen war nichts zu sehen. Es gab niemanden außer Calandola, an den ich mich wenden konnte, und er hatte meine Bitte abgewiesen, und wenn ich nicht die Tat eines Verrückten beging, die mich zweifellos das Leben kosten würde, konnte ich nur warten und

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