Herr der Finsternis
zwischen den beiden grauen Hügeln.«
»Der Imbe-Jaqqa muß es erfahren«, sagte ich. »Ich werde sofort zu ihm gehen.« Dann faßte ich Golambolo am Handgelenk, sah ihm in die Augen und sagte: »Sprich mit niemandem sonst darüber, was deine Späher dir mitgeteilt haben, nicht mit Kinguri, nicht mit Ntotela, mit keinem, bis ich beim Imbe-Jaqqa gewesen bin, denn ich möchte nicht, daß sich die Nachricht verbreitet, bis sich der Hohe Rat getroffen hat, um einen Plan auszuarbeiten.«
»Ich verstehe. Ich werde gehorchen, o Andubatil.«
»Gut getan, Golambolo.«
Nun lag das Schicksal allein in meinen Händen, und ich stand auf des Messers Schneide zwischen diesem Weg und jenem, und ich traf meine Wahl.
Zu Kulachinga, meiner Jaqqa-Frau, ging ich, zu ihr, die so kräftig und zuverlässig war und die so starke Beine hatte und schnell wie der Wind war.
»Ich brauche dich dringend«, sagte ich. »Geh nun, laufe nach Osten, in Richtung Langere, zu einem Ort mit zwei grauen Hügeln, den wir zuvor schon einmal gesehen haben. Dort befindet sich eine Streitmacht. Nimm dies und gib es ihrem Kommandanten.« Ich drückte ihr das goldene Kruzifix in die Hand, das Doña Teresa mir gegeben hatte. »Und sage ihm diese Worte, die du mir wiederholen mußt, bis du sie auswendig kannst.« Und ich sagte ihr die portugiesischen Worte vor, die bedeuteten: »Kommt sofort, schlagt heute abend zu!« Sie wiederholte, und beim fünften Mal sprach sie sie perfekt, obwohl sie keine Ahnung von ihrer Bedeutung hatte. »Zeige ihnen mit Zeichen, wo sich unser Lager befindet, und führe sie zu uns, denn der Imbe-Jaqqa hat den Plan, sie zu täuschen und über sie herzufallen, wenn sie es am wenigsten erwarten. Geh nun!«
»Ich werde gehen«, sagte sie, wandte sich ab, sank in den Wald wie ein Stein ins Meer und war meinen Blicken entschwunden.
Es war also vollbracht. Ich hatte meine Wahl getroffen. Und die Nacht senkte sich; und die Jaqqas sammelten sich zu ihrem großen Fest des Todes.
13
Die Fürsten der Menschenfresser-Nation trugen ihre besten Gewänder, ihre schönsten Farben und Perlenketten und Knochenornamente; und ich, der ich ein Jaqqa-Prinz war, tat dasselbe, da es mir oblag, meine Rolle zu spielen. Sklaven brachten weiße Kreise an meinem Körper an und rote und blaue Streifen, und die Stammesnarben, die ich in meinem Gesicht trug, färbte ich selbst mit gewissen Jaqqa-Pulvern, und dann schlang ich mir ein Palm-Tuch um die Lenden und legte als Zeichen der Ehre meine klingelnden Halsketten um und befestigte mein Schwert an der einen und meinen Dolch an der anderen Hüfte. All dies, während Kulachinga durch die Dunkelheit lief, mit Doña Teresas kleinem goldenen Kruzifix in der Hand und immer wieder die Worte »Kommt sofort, schlagt heute abend zu!« wiederholend. Würden sie kommen? Und würden sie rechtzeitig kommen? Und welchen Preis würde ich für meinen Verrat zahlen, wenn sie kamen? Diese Fragen konnte ich nicht beantworten. In meinen prächtigen Amtszeichen ging ich dann zum Fest und nahm neben Imbe Calandola und meinem Bruder Kinguri Platz.
Als es völlig dunkel war, schafften sie Doña Teresa herbei.
Man hatte ihr die Fetzen ausgezogen, sie gebadet, ihren Körper etwas bemalt und ihr nur eine Kette mit den Zähnen eines Tieres um die Lenden gelegt, die nichts verbarg, so daß sie hervortrat, wie ich einst zur Hinrichtungsstätte gegangen war: nackt, die hohen runden Brüste und das dunkle, krause Vlies ihres Schamhaars zur Schau gestellt.
Und doch schritt sie gerade und stolz und königlich, trotz all ihrer Nacktheit, diese Christin, deren geheimste Körperstellen zehntausend Wilden offenbart waren. Ich glaube, ich hätte sie lieber schwach und verängstigt gesehen; denn ihr derart königlicher Anblick erweckte in mir scharfe Erinnerungen an die Frau aus São Paulo de Luanda, die ich geliebt hatte und die mir bald für immer verloren sein würde, wenn sich nicht irgendein Wunder ereignete, und die Zeit wurde grausam knapp für Wunder. Ich spürte, wie sich nahendes Unheil über diesen Ort legte, und nicht allein für Doña Teresa. Und mir fielen diese Worte aus Meister Marlowes Schauspiel von Faustus wieder ein, als die Uhr elf schlägt und Mephistopheles sich nähert, um die Seele des Verdammten zu beanspruchen:
Steht still, ihr rastlos regen Himmelssphären!
Zeit, höre auf. Nie werd’ es Mitternacht!
Steig, schönes Auge der Natur, von neuem
empor und laß den Tag nie enden, mach mir
zum Jahr, zum Monat diese eine
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