Herr der Finsternis
Schwester denn wie Mutter und Sohn. Oh, Andrew, Andrew, wo bist du gewesen, was ist mit dir geschehen?«
»Es würde mich weitere zwanzig Jahre kosten, alles zu erzählen«, sagte ich.
Wir gingen ins Haus. Es war viel kleiner, als ich mich daran erinnerte, und dunkler; und doch war es vertraut und geliebt. Ich sah mich lange schweigend um und stand vor den Porträts meines Vaters Thomas und meiner Mutter Mary Martha und neigte den Kopf, um sie zu begrüßen, den Vater, den ich verehrt, und die Mutter, die ich nie gekannt hatte, und sagte: »Ich bin zurückgekehrt, und ich habe viel getan, und ich sage euch, euer Blut in meinen Adern ist gutes, kräftiges Blut, für das ich dankbar bin.«
Und dann erinnerte ich mich, daß ich durch eine feierliche Transfusion das Blut des Jaqqa Kinguri in meinen Adern hatte, und ich wandte mich verwirrt und beschämt ab.
Mutter Cecily bedachte ich so schnell mit Fragen, daß sie sie kaum beantworten konnte, über diese und jene Person, über Spielkameraden und Lehrer und so weiter, von denen einige tot, einige nach London gezogen waren und einige, so sagte sie, noch in Leigh lebten. Schließlich stellte ich ihr die Frage, die die erste hätte gewesen sein sollen, nur, daß ich nicht die Kraft gehabt hatte, sie ihr zu stellen, ohne sie vorher lange hinauszuschieben.
»Und erzähle mir auch, Mutter, von der, mit der ich vor langen Jahren verlobt war, von Anne Katherine. Was ist aus ihr geworden, welchen Lauf hat ihr Leben genommen, und hat sie je von mir gesprochen? Wo ist sie nun?«
Und ich wartete zitternd in dem langen Schweigen, das die Antwort meiner Stiefmutter war.
Dann sagte sie schließlich: »Warte hier und trinke einen Krug Ale, und ich werde bald zurück sein.«
So saß ich dort in der Küche dieses alten Hauses, und mein Herz hämmerte, und meine Lippen waren trocken, und ich wagte nicht zu denken, sondern saß nur steif da wie eine geschnitzte Statue. Lange Minuten verstrichen, und der Knabe Francis wanderte davon, berührte verwundert die Mauern und Böden, drückte die Lippen gegen die Fenster und so weiter. Dann hörte ich Schritte auf der Treppe, und meine Stiefmutter kam ins Haus zurück. Und bei ihr war solch ein Wunder, daß ich es wie einen Donnerschlag erfuhr.
Denn sie hatte Anne Katherine mitgebracht. Und ich meine nicht die faltige, alte Anne Katherine, mit der ich in diesem Jahre des Herrn 1610 vielleicht rechnen konnte, sondern die schöne und goldblonde Maid einer lange verstrichenen Zeit, die nicht älter als sechzehn oder siebzehn Jahre war, oder noch jünger, mit Haar wie leuchtende Seide und mit hellblauen Augen, und an ihrem Hals, auf dem süßen vollen Polster ihrer Brüste ruhend, war die Perle, die wie eine blaue Träne aussah, und sie hing an der Kette, die ich vor einer Ewigkeit von meinem Bruder Henry geschenkt bekommen und ihr als Geschenk überreicht hatte, als Beweis unserer Verlobung.
Ich zitterte, schrak zurück und riß die Hände hoch.
»Bei Gottes Tod, Frau«, rief ich, »bist du jetzt eine Hexe?«
»Andrew…« rief meine Stiefmutter verängstigt. »Andrew, was plagt dich?«
Das Mädchen, das vor einem Augenblick noch gelächelt hatte, wich angesichts meines wilden Ausbruchs oder vielleicht aus Furcht vor meinem grobschlächtigen Aussehen verängstigt zurück.
»Wie kann das sein?« sagte ich mit belegter und furchtsamer Stimme. »Sie hat sich in diesen einundzwanzig Jahren nicht verändert! Welches Nganga-Werk ist dies, welche Hexerei?«
Meine Stiefmutter, die nun verstand, kam zu mir und sagte mit scharfer, leiser Stimme: »Die Sonne hat deinen Verstand zerrüttet, Junge! Hast du sie für deine Anne Katherine gehalten?«
»Sie ist ihr Ebenbild.«
»Das ist sie. Doch es ist Torheit, das Bild für die Wirklichkeit zu halten. Mädchen, sag ihm deinen Namen.«
»Kate Elizabeth«, antwortete sie mit hoher, aber süßer Stimme.
»Und deine Herkunft?«
»Die Tochter von Richard Hooker und Anne Katherine Hooker, die zuvor Anne Katherine Sawyer war.«
»Ah«, sagte ich. »Ihre Tochter! Jetzt ist es mir klar! Aber du siehst genauso aus wie sie, Kate Elizabeth!«
»Das sagt man oft. Nur heißt es, sie sei wunderschön gewesen, und ich glaube, ich bin nicht so schön, wie sie es war.«
»War?«
»Aye«, sagte das Mädchen, »meine Mutter ist schon lange tot.«
»Ah«, sagte ich. Ich trat etwas näher an sie heran, musterte sie und sagte: »Ich glaubte, du wärest ihr Ebenbild, aber dem ist nicht so. Denn du bist noch
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