Herr der Finsternis
mit mir verfahren ist, und daß ich in seinen Diensten nützlicher für ihn bin als im Kerker?«
»Aber Pereira ist nach São Salvador gegangen.«
Dieser Name sagte mir nichts. »Wohin?«
»Das liegt im Land Kongo. Er brach vor drei Monaten auf, und ich glaube, er wird nicht zurückkehren. Es hieß, er hätte dringende Geschäfte dort zu erledigen, doch ich glaube, er fürchtet nur die Jaqqas, von denen es heißt, sie würden Kräfte zusammenziehen, um in dieses Gebiet einzudringen.«
»Dann ist gar kein Gouverneur hier?«
»Nein.«
»Wer herrscht?«
»Niemand. Man sagt, ein neuer Gouverneur sei auf dem Weg von Portugal hierher, doch wir sind uns nicht sicher. Wir warten. Wir leben. Die Zeit verstreicht.«
Erneut fühlte ich, wie mich Hilflosigkeit überkam. Diese Portugiesen! Der fette alte Gouverneur tot, der neue geflohen, der nächste noch nicht eingetroffen, und was wird aus mir, was wird aus mir? Sollte ich auf ewig im Kerker verfaulen, während sie ihre Narretei fortsetzten? Nun ja, es hatte keinen Sinn, mir darüber den Kopf zu zerbrechen. Solange ich nicht die Kraft hatte, weiter als bis zu meinem drei Fuß entfernten Pinkeltopf zu gehen, spielte es kaum eine Rolle, ob ich im Hospiz oder im Kerker war. Und wenn ich kräftig genug war, um aufzustehen, würde der neue Gouverneur vielleicht schon hier sein.
Meine Kraft kehrte in den folgenden Wochen schnell zurück. Ich wurde gelegentlich von Doña Teresa bedient, öfter jedoch von schwarzen Nonnen des Hospizes, und ich war immer enttäuscht, wenn eine von ihnen und nicht sie in die Zelle kam.
Doch sie kam oft genug zu mir, und allmählich erfuhr ich auch über sie etwas. Sie war wirklich erst achtzehn Jahre alt; darin hatte ich recht gehabt. Und sie war keine Portugiesin oder eher nur zum Teil eine. Das fand ich heraus, indem ich fragte, wie lange es her sei, daß sie ihr Vaterland verlassen habe und ob sie in Lissabon geboren sei, woraufhin sie lachte. »Ah, nay, Andres« – so nannte sie mich, Andres – »es gibt an diesem Ort keine portugiesischen Frauen.«
»Was seid Ihr dann, ein Hexenkind? Ein Wechselbalg der Mohren?«
Ich war der Wahrheit näher gekommen, als ich es wußte. Sie erzählte mir, sie sei im Kongo geboren worden, in der selbigen Stadt São Salvador, in die Gouverneur Pereira sich nun abgesetzt hatte. Die Portugiesen waren vor fast einhundert Jahren in diesem benachbarten Königreich im Norden eingetroffen, hatten sich dort niedergelassen und sich in einer friedlichen Invasion in das Blut und die Adern dieses Landes ausgebreitet, indem sie dem Volk des Kongo portugiesische Vorstellungen und Gebräuche und den Frauen des Kongo etwas anderes eingegeben hatten; was, könnt Ihr Euch ja denken. Indem sie sich schwarze Weiber zu Frauen genommen hatten, hatten sie eine Rasse von gemischtem Blut hervorgebracht, in die später Portugiesen eingeheiratet haben, und so weiter und so fort, bis eine seltsame Kreuzung zur Regel geworden war, die solche Wunder wie Doña Teresa hervorgebracht hatte. In meinen Augen sah sie wie eine reinrassige Portugiesin aus. Doch ein Teil des Blutes in ihren Adern war Kongoblut.
Als ich dies von ihr erfahren hatte, verstand ich meinen frühen Augenblick der Furcht. Sie hatte nichts anderes getan, als mir während meiner Krankheit zu dienen, und doch hatte ich ihr mißtraut, weil sie eine Portugiesin war, und nun mißtraute ich ihr noch mehr, da ich keine Vorstellung hatte, wo ihre wirkliche Loyalität lag. Später mußte ich dann erkennen, daß meine Einschätzung richtig war und Doña Teresa nur Doña Teresa diente, und den letzten beißen die Hunde.
Sie war noch nicht lange in Angola – ich glaube, sie traf erst einige Monate vor meiner Ankunft hier ein. Warum sie hierher gekommen war, sagte sie nicht, sondern antwortete nur ausweichend, sie sei des Lebens im Kongo überdrüssig geworden. Was sie mir nicht erzählte, war, daß sie die Mätresse eines gewissen hohen Fidalgo oder Grande der Portugiesen im Kongo war, eines Don João de Mendoça, und daß dieser Mendoça nach dem Tode Gouverneur Serrãos nach Angola gezogen war, weil er glaubte, er könne hier zu Macht kommen. Wenn Doña Teresa mir ihre Verbindung mit Mendoça gestanden hätte, wäre ich nicht sehr bekümmert gewesen, da ich wußte, daß eine Frau von so gewaltiger Schönheit nicht auch eine von gewaltiger Tugend sein konnte, wenn man die leichtfertige Moral dieser Portugiesen in Übersee bedachte; doch es sollte noch einige Zeit dauern, bis
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