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Herr der Finsternis

Herr der Finsternis

Titel: Herr der Finsternis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Silverberg
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Kette, und die Kette führte zu einem zweiten Körper und einem dritten, und diese Enthüllung des Schreckens und Todes setzte sich fort, bis ich glaubte, meinen Augen nicht mehr trauen zu können.
    Schließlich lagen acht halb verdaute Körper nebeneinander auf dem Boden, und das Coccodrillo, das so seiner Beute beraubt war, wirkte eingefallen und flach. Sicher, daß sich keine Opfer mehr im Leib des Ungetüms befanden, erhob sich der Beamte und legte seine gesamte Kleidung ab, da er völlig mit geronnenem Blut und Kot beschmiert war, und Knaben kamen zu ihm und reinigten ihn mit Wasserkübeln, und nachdem er neue Kleidung angelegt hatte, kehrte er zum Palast zurück, um von diesem Ereignis zu berichten, während sich das Volk enger zusammenscharte und mit leisen, murmelnden Stimmen zu einem langen Palaver ansetzte.
    Ich sah einen Händler, von dem ich wußte, daß er ein paar Brocken Portugiesisch sprach, berührte ihn am Arm und sagte in dieser und halb in seiner Sprache: »Bitte, sag mir, was hier geschehen ist.«
    Und er erklärte mir, daß dieses Coccodrillo so groß und gierig war, daß es eine Alimbamba verschlungen hatte; das ist eine aneinandergekettete Gruppe von Sklaven, die vor einigen Tagen am Ufer des Flusses gearbeitet hatte. Als sich die unglücklichen Gefangenen abplackten, rutschte einer aus und fiel auf die Schlammbank, auf der das Coccodrillo lauerte; und mit jener schrecklichen Geschwindigkeit, die diese Geschöpfe aufweisen, wenn ihr Appetit geweckt wird, hatte es den Mann gänzlich verschlungen. Doch mit seinen schrecklichen Kiefern zog es den nächsten an der Kette zu sich heran und den nächsten und den nächsten und verschlang sie nacheinander. Es gab keine Flucht: Ein jeder entsetzte Sklave mußte mit ansehen, wie sein Vorgänger verschlungen wurde, bis sich schließlich die gesamte Alimbamba im Bauch des Coccodrillos befand.
    Es war dieses unverzehrbare Eisen, das dem Menschenfresser so schlecht bekam und ihn schließlich tötete. Denn selbst ein Coccodrillo, selbst ein solcher Riese unter Riesen, hat seine Grenzen; und es lag tagelang schwerfällig und träge da und versuchte, sein fürchterliches Mahl zu verdauen, und es hätte sie mit der Zeit auch alle zersetzen können, wozu es vielleicht einige Monate benötigt hätte; doch die Kette konnte es nicht verkraften. So wurde es schwächer und blähte sich auf, und einige Knaben aus der Stadt bekamen die Weisung, es Tag und Nacht in seinen letzten Zuckungen zu beobachten, und als es der Tod ereilt hatte, luden diese Träger es auf ihre Schultern und schleppten es zum Marktplatz. Der Beamte, der das Geschöpf aufgeschnitten hatte, war der Verwalter der Sklaven, der eine Bestandsliste führen und den Tod eines jeden menschlichen Eigentums verzeichnen muß. Nachdem er dies getan hatte, war die Sache erledigt. Ich sah zu, wie nun andere Sklaven erschienen und die acht schrecklichen Leichen davontrugen, als wären sie nur Unrat – wahrscheinlich, glaube ich, brachten sie sie zu dem Gebeinplatz des Dorfes, wo sie dann verscharrt wurden. Doch die Kette, die die Sklaven- Alimbamba zusammengehalten und sie zu ihrem schrecklichen Tod geführt hatte, wurde überaus achtsam von allem Schleim gereinigt, damit sie von neuem benutzt werden konnte.
    Noch Tage später war es das Stadtgespräch, daß dieses Coccodrillo solch einen Appetit auf Fleisch entwickelt hatte und an seiner eigenen Gier gestorben war; doch ich hörte kein Wort des Bedauerns über die Sklaven, die gestorben waren. Vielleicht war mein Verständnis der Sprache damals noch nicht ausgeprägt genug, um solche Feinheiten zu erfassen. Auf jeden Fall wurde ich drei Nächte hintereinander in fürchterlichen Träumen von diesem Anblick verfolgt, und in den Stunden des Wachens sehnte ich mich nur noch leidenschaftlicher nach England und seiner schönen, lieblichen Themse, die keine so teuflischen Ungetüme in sich birgt. Und wo, wenn solche Dinge doch geschehen würden, man der Opfer mit Mitleid gedenken und über sie weinen und sie zur letzten Ruhe in ein christliches Grab betten würde.
    Und dies war das zweite Wunder von Loango.
    Doch das dritte, das sich eine Woche darauf ereignete, hinterließ den tiefsten Eindruck von allen dreien, obwohl es das einfachste Ereignis war. Wieso, fragt Ihr? Nun, obwohl es erstaunlich und ein Wunder war, daß ein Coccodrillo Sklaven in solch großer Zahl verschlungen hatte, bedeutete dies keine Bedrohung für die, die es nicht verschlungen hatte. Und die

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