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Herr der Finsternis

Herr der Finsternis

Titel: Herr der Finsternis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Silverberg
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Trockenheit, so ernst sie auch war, stellte eher eine Prüfung denn eine Katastrophe dar. Doch diese dritte Sache war für jeden von Bedeutung, obwohl sie an sich gemessen so gering war. Denn sie bestand lediglich darin, daß man im Wald der Ollicondi-Bäume, die zwischen der Stadt und dem königlichen Friedhof von Loangiri lagen, einen einzelnen toten Schwarzen fand.
    Einen einzelnen toten Schwarzen. Ja, aber es war doch mehr als dies.
    Erneut wurde ich durch den Lärm der Pfeifen und Flöten darauf aufmerksam, doch diesmal war es kein wildes Schrillen, sondern eher ein dunkler Trauerklang, so langsam und traurig, daß er mir beinahe die Tränen in die Augen trieb. Er barg alle Niedergeschlagenheit in sich, die es jemals gegeben hatte, allen Verlust und alle Trauer und alles Elend, das der Herr der Allmächtige jemals über uns geschickt hat, um unseren Glauben an Ihn zu prüfen. Dann folgte ein einzelner Trommler, der einen Todesmarsch auf einer Trommel schlug, deren Kopf mit dem Fell jener schönen, schwarzweißen Pferde der Ebenen bespannt war, die man hier Zevveras nennt. Auch diese Melodie war so klagend, daß sie buchstäblich meine Seele durchbohrte. Ich war mit Faleiro und Cabral zusammen, als wir die Musik hörten, und wir betrachteten einander mit gleicher Beunruhigung, und Faleiro sagte: »Das gefällt mir nicht. Welches Unheil kündigen sie an?«
    »Es kann nur der Tod des Königs sein«, wagte ich die Behauptung, »denn was sonst hier könnte so traurige Klänge verursachen?«
    »Gott verhüte es«, rief Faleiro und machte ein halbes Dutzend Mal schnell das Zeichen des Kreuzes. »Denn wenn dem so ist, sind wir verloren. Wenn der Maloango stirbt, steht die Welt still. Alles wird der Trauer übergeben. Es gibt keine Jagd, der Markt ist geschlossen, die Schmiede und der Amboß werden stumm, und nachts darf niemand hinaus gehen.«
    »Aye«, sagte Cabral, »und man darf nicht lachen oder rufen, noch nicht einmal schnaufen oder husten, und es wird nicht mehr gekocht, und man geht nicht mehr zu den Brunnen. Laßt uns beten, daß der König noch lebt. Wenn in der Woche der Beerdigung ein Hund bellt, wird er erschlagen, und wenn ein Schaf blökt, stirbt es.«
    Doch die Ängste der beiden Portugiesen beschäftigten uns nicht lange, denn der Adel versammelte sich vor dem Königlichen Palast, und zu ihnen gesellte sich der König selbst, der auf seinem Thron von Sklaven getragen wurde. Was uns beunruhigte und gleichzeitig unsere Betroffenheit vergrößerte, denn wir wußten, daß der Maloango nicht in der Öffentlichkeit erschien, wenn nicht ein Ereignis von großer Bedeutung über sein Volk gekommen war.
    Wir standen still wie Stein, während die Flötenspieler und Trommler an uns vorbeigingen, und dann kam der Mittelpunkt und der Anlaß dieser unheimlichen Prozession. Aus der Waldstraße kamen sehr langsam vier Krieger des Reiches marschiert, die einen breiten Schild aus Elephanto-Haut trugen, die auf einen hölzernen Rahmen aufgezogen war; und auf diesem Schild lag ein nackter Mann, tot, die Glieder ausgestreckt und hinabbaumelnd. Sie trugen ihn vor den König, setzten ihn mit dem Schild und allem ab und traten zurück, und die Musiker waren still, und die ganze Stadt war still.
    Dann brach aus der Kehle des Maloango solch ein klagender Schrei hervor, daß es einem die Seele zerriß. Man hätte glauben können, daß er um seinen liebsten Sohn trauerte, wie David um Absalom geweint hatte. Doch war dies nicht der König, der befohlen hatte, ein Kind seiner Lenden zu vierteilen, da es ihn unglücklicherweise gesehen hatte, als er Wein trank? Nun weinte er, er stöhnte, er raufte seine Kopfbedeckung und schleuderte sie zu Boden. Nicht einmal Maria, die den Erlöser beweinte, hätte solch eine gewaltige Klage anstimmen können.
    »Was hat das zu bedeuten?« fragte ich Faleiro. »Weshalb schreit er so?«
    »Es ist ein Fürst der Jaqqas, der dort tot liegt«, erwiderte Faleiro heiser flüsternd.
    Ich trat so nahe an ihn heran, wie ich es wagte, um ihn besser sehen zu können. In der Tat schien der Tote einem anderen Stamm als den Loangos anzugehören. Er war von großer Statur, schlank, mit mächtigen langen Armen und Beinen und einem langen, schlanken Hals. Er trug nichts außer einem doppelten, perlenbestickten Gürtel um die schmalen Hüften, und auf seiner nackten Brust war seltsamerweise mit dicker weißer Farbe das Zeichen des Kreuzes gemalt, was ihm das Aussehen eines Tempelritters verlieh, der ausgezogen war,

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