Herr der Finsternis
verweilte, die sich ereignet hatten, während ich im Land Loango war. Von dem Regenmachen und dem großen Coccodrillo nahm er nur oberflächlich Notiz; es war die Geschichte des toten Jaqqas, die ihn am meisten erregte. Er ließ sie mich in jeder Einzelheit beschreiben. Als ich das weiße Kreuz erwähnte, das auf die Brust des Kannibalenfürsten gemalt war, schlug er auf den Tisch, schrie laut auf und rief: »Bei der Messe! Dies sind lustige Teufel, diese Jaqqas!«
Ich sah nichts Lustiges an ihnen: Für mich waren sie Teufel und Hyänen oder Wölfe in menschlicher Gestalt. Doch vielleicht hatte Don João nie gesehen, wie sie seine Schiffskameraden verzehrten.
»Welche Bedeutung hat das Kreuz für sie?« fragte ich, »sie sind doch sicherlich keine Christen.«
»Nun, nein, natürlich nicht. Und es hat wohl keine Bedeutung für sie, bis auf die Tatsache, daß sie es für schön erachten. Oder sie wollen uns womöglich verspotten. Oder sie sind vielleicht Jesuiten geworden, und das ist ihr neues Ordenszeichen. Niemand versteht, warum die Jaqqas tun, was sie tun. Ich glaube, sie sind keine Menschen. Doch keiner dieser Mohren hat viel Sinn für wirkliches Christentum, gleichgültig, was sie des Sonntags in der Kirche plappern. Weißt du, Andres, als ich am Kongo war, sah ich oftmals, wie gute christliche Neger das heilige Kreuz für heidnische Zwecke mißbrauchten. An einem Ort hatten sie Hörner wilder Tiere aufgehäuft und mit Zweigen umgeben; eine Art Altar hatten sie errichtet und ein Kreuz darüber aufgestellt. Sie haben den uralten Aberglauben, daß sie ihre Tiere mit solchen aufgehäuften Hörnern verhexen können, wenn sie sie jagen, und sie müssen der Auffassung gewesen sein, daß das Kreuz ein noch mächtigerer Mokisso war, so daß sie es dem Haufen Hörner hinzugefügt haben. Ich glaube, das war recht klug von ihnen.«
»Und ich auch, Don João. Warum soll man nicht allen Aberglauben einsetzten, den man finden kann, wenn man hungrig ist?«
Er bedachte mich mit einem Stirnrunzeln, und ich glaubte schon, er würde wütend sein, doch dann entspannte er sich etwas.
»Dann ist das Kreuz für dich ein Aberglauben?«
»Man lehrt uns in England, daß Jesus für unsere Sünden am Kreuze starb, genau, wie man es in Rom lehrt«, sagte ich unbehaglich. »Doch wir glauben, daß es Jesus ist, der heilig ist, und nicht das Holz, an dem Er starb. Wir haben die Symbole und Idole aufgegeben.«
»Habt ihr das?« fragte Don João. »Und macht es euch keine Angst, ohne ihren Schutz zu leben?«
»Es war nur ein falscher Schutz, Herr. Denn als wir unsere Reliquien zerstörten, unsere Heiligenbilder und dergleichen, kam keine Pest über England, und auch keine Rache unserer Feinde. Nein, wir sind vielmehr aufgeblüht und viel wohlhabender geworden, als wir es in den alten Tagen waren, und als König Philip seine Armada schickte, erlitten wir keinen Schaden, sondern…«
»Ja«, sagte Don João düster. »Ich frage mich, warum der Herr solche Ketzer wie die Engländer ermutigt. Doch sei es, wie es ist: Uns hier liegen solche Streitigkeiten fern. Ich zeigte das Kreuz des Jägers einem Priester, der ganz ungehalten wurde, es zerbrach und verbrannte und sagte, es sei Gotteslästerung, es zu benutzen, und das war es vielleicht auch. Nun, sollen die Priester auch die Jaqqas als Gotteslästerer verbrennen, wenn sie einen fangen können. Hast du diese Jaqqas gesehen, Andres? Andere als den Toten in Loango?«
Ich sah ihn erstaunt an und rief: »Hat man Euch denn nicht berichtet, daß sie einige unserer Männer verschlungen haben, nachdem wir auf Land gestrandet waren?«
»Nein, nicht ein Wort!«
Ich ertappte mich, wie ich zitterte, als ich daran dachte. »Es war das Schrecklichste, das ich jemals gesehen habe. Sie tauchten auf wie Spukgestalten, an einem Ort, der von Treibsand umgeben war, fielen über die Gestrandeten her, erschlugen sie und… Ich habe alles gesehen«, fuhr ich erschaudernd fort. »Doch muß ich Euch dies nun ausmalen?«
»Mir wurde nur berichtet, daß viele Männer bei dem Schiffbruch starben.«
»So starb die Hälfte unserer Toten, und die andere Hälfte fiel dem Hunger der Jaqqas zum Opfer, nachdem sie dem Zorn der See entkommen waren.«
Und ich wandte den Blick ab, damit er nicht sah, wie bleich ich war, wie erschüttert von der schrecklichen Erinnerung.
Er schien sich meiner Gefühle nicht bewußt, denn er fuhr im leichtesten Plauderton fort: »Dies sind kühne Burschen. Völlige Wilde, mit keiner Spur
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