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Herr der Finsternis

Herr der Finsternis

Titel: Herr der Finsternis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Silverberg
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Menschlichkeit in ihnen. Ich habe einmal einige gesehen, die wir bezahlten, damit sie Kämpfe für uns fochten – denn weißt du, manchmal, wenn diese Stimmung sie überkommt, kämpfen sie für Geld. Sie waren wie eine Bande von Teufeln, so daß ich immer wieder auf ihre Schultern schaute, um zu sehen, ob dort schwarze Schwingen sprossen. Ich höre, daß es irgendwo landeinwärts in ihrem Gebiet einen Markt gibt, auf dem sie Menschenfleisch nach Gewicht verkaufen wie wir das von Schafen oder Ochsen. Himmel, ich frage mich, wie sie es zubereiten, ob sie es kochen oder braten oder in einem Ofen backen!« Er schlug sich auf seinen üppigen Bauch. »Gott verhüte es, Andres, doch manchmal – manchmal – bin ich neugierig, wie es schmeckt. Ich gestehe dir etwas ein, das ich nicht einmal meinem Beichtvater sagen würde, und ich kenne den Grund dafür nicht, bis auf die Tatsache, daß du ein Mann nach meinem Geschmack bist. Würdest du Menschenfleisch essen?«
    »Ich habe es einmal beobachtet, Don João, als ich in Brasilien ein Gefangener wilder Indianer war. Ich kam nicht in Versuchung.« Ich wollte ihm nichts von den Auswirkungen sagen, die das gebratene Fleisch auf mich gehabt hatte, als ich auf dieser Sandinsel so ausgehungert war.
    »Und wenn dein Leben davon abhinge?«
    »Ich glaube, ich würde es nicht tun«, sagte ich standhaft. »Ich könnte gut genug von Wurzeln und Blättern und Beeren leben und von den kleinen Tieren der Wildnis.«
    »Ich meine, wenn man dir sagte: Iß dieses Fleisch, oder wir erschlagen dich, und das Fleisch wäre vom Menschen?«
    »Eine seltsame Frage, Don João.«
    »Dennoch stelle ich sie dir.«
    »Nun«, sagte ich achselzuckend, »ich glaube, wenn ich muß, würde ich es essen. Gott erspare mir diese Wahl jedoch.«
    »Du bist ein Mann nach meinem Geschmack!« rief er. »Es ist immer klüger, zu essen, als gegessen zu werden! Komm, Andres, trinke etwas Wein mit mir. Und dann zu deinen eigenen Vergnügungen.« Er goß mir einen Kelch bis zum Rande voll und sagte, ihn mir reichend: »Werden die Jaqqas Loango angreifen?«
    »Das kann ich nicht sagen. Das Volk von Loango fürchtet sich sehr davor.«
    »Du hast die Geschichten jener Zeit gehört, als die Menschenfresser São Salvador im Kongo angegriffen haben, nicht wahr?«
    »Von der Zeit, als der König dieses Landes gezwungen wurde, auf die Hippopotamus-Insel zu fliehen?«
    »Ja, ‘69 war es. Sie werden eines Tages hierher kommen, Andres. Sie werden mit der Zeit überallhin kommen. Sie sind Gottes Plage, die Er auf die Welt losgelassen hat.« Er sagte dies sanft, als spreche er über eine Brise, die aus dem Westen heranzog, oder über einen leichten Regenschauer. »Ich glaube, sie wollen sich ihren Weg von Nation zu Nation fressen, bis sie die ganze Welt verschlungen haben. Sie haben einen König namens Imbe Calandola, von dessen Hunger man sagt, er sei grenzenlos. Was glaubst du, weshalb werden solche Zerstörer immer wieder unter uns geboren? Die Türken, die Mongolen, die alten Hunnen, die Assyrer, von denen die Bibel uns berichtet – und nun sind die Jaqqas und ihr großer Teufel Imbe Calandola die letzten dieser Sorte. Glaubst du nicht, daß sie für etwas sprechen, das es in uns allen gibt? Nun, Andres? Diese Liebe für Zerstörung, diese Freude, Böses zu tun? Gottes eigene Geißel! In diesem Bösen liegt eine gewisse Schönheit. Nun, Andres? Nun? Hier, nimm mehr Wein.«
    Er setzte sich zurück, lachte und kratzte sich den Bauch. Ich erkannte, daß er sehr tief in den Becher geschaut hatte. Seine Worte kamen schwerfällig, und ihre Bedeutung war ungeheuerlich. Ich wußte nicht was ich angesichts solch erstaunlicher Worte erwidern sollte. Wir schwiegen eine Zeitlang, und dann erklärte er: »Ich werde mir ein paar zahme Jaqqas suchen, Andres. Und ich werde sie mit einigen nutzlosen Portugiesen füttern, damit die Dinge in dieser Stadt wieder ruhiger werden. Ich glaube, ich werde ihnen zuerst die Jesuiten vorwerfen. Und dann den törichten Hurensohn d’Almeida und seine pockenkranken Freunde. Hah! Und mein eigener Koch, der ein Meister seiner Kunst ist, wird die Saucen für sie rühren.«
    Er lachte und trank und lachte und trank. Ich beobachtete ihn verwundert. Kurz über lang, da war ich mir sicher, würde er an seiner eigenen Trunkenheit einschlafen. Doch statt dessen tat Don João genau das Gegenteil: Er setzte sich in seinem Stuhl auf, schob das Weinglas zur Seite und sagte mit völlig nüchterner Stimme, die nicht mehr

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