Herr der Nacht
Bruchstücke vom ersten Gewand der Zeit übriggeblieben waren. Tatsächlich gehörte er nirgendwo hin, weder auf die Welt noch unter sie: ein Stückchen Chaos, das Gestalt angenommen hatte und riesig, düster und böse umherstreifte, damit die Menschen es rufen konnten, wenn sie wagten, doch zumeist für Menschen nur ein Grund, es zu verabscheuen und zu meiden.
Er breitete seine riesengroßen Flügel aus, die gewaltigen Fächer aus Palmenblättern glichen, und schwang sich zum safrangelben Fenster hinauf, wo die Königin vor ihrem Spiegel saß und das Halsband liebkoste.
»Geliebte«, rief der Vogel leise, »Geliebte, Geliebte, zweiter Mond der Nacht, komm heraus und zeige den Schatten deine Schönheit!«
Und die Königin kam zum Fenster, verwundert und stolz, und der Vogel ergriff sie plötzlich mit seinen schrecklichen Krallen und trug sie schrill schreiend ins Gewölbe der Nacht.
Der Vogel flog hoch und weit. In die Nähe der Sternengärten flog er und bürstete ihre Silberwurzeln mit dem Atem seiner Flügel. Tief unten lag die Erde wie eine rauchige Landkarte, hier und da durch die Lichter der Städte in Flammen, während sich an ihrem Rand die violetten Wüsten des Meeres ausdehnten.
Die Königin jammerte vor Furcht.
»Gib mir dein Halsband, und ich werde dich loslassen«, sagte der Vogel zu ihr.
In ihrer Angst sah die Königin ohnehin alles verloren. Sie riß ihren mit Blut erkauften Gewinn herunter, und der Vogel nahm ihn mit seinem Schnabel. Und dann, getreu zu seinem Wort, ließ er sie wirklich los, und sie fiel hinunter, der Erde entgegen. Einige sagen, sie starb auf diese Weise, andere sagen, ein Urgeist der Oberwelt erbarmte sich ihrer und verwandelte sie ihrerseits in einen Vogel, einen kleinen, boshaften Falken, der für ewige Zeit kreischend am Himmel umherflatterte.
Der große Vogel, der froh war, sie los zu sein, schüttelte das Halsband in seinem Schnabel.
Er hatte nicht im geringsten die Absicht, es dem König der Stadt zu bringen, sondern wollte das Schmuckstück für sich selbst behalten. Aber als er heimwärts zu seinen Felsklippen flog, wurde hoch über den Bergen mit Hilfe der Sonne ein Sturm geboren und raste über den Himmel und ließ seine Zymbeln erschallen. Ein Blitz traf den Vogel, nur ein flüchtiger Schlag, aber der Vogel schrie auf, und Vayis Halsband fiel aus seinem Schnabel und war verloren. Dreimal kreiste der Vogel, um nach seinem Beutestück zu suchen, aber da er nichts fand, flog er wütend nach Westen, den dahinziehenden Fetzen der Nacht nach.
*
Das Halsband stürzte herab wie ein Meteor. Von der Sonne gefärbte, neblige Hügel öffneten sich und glitten vorbei, ein Fluß glitzerte, ein Wald lag da wie ein grünpelziges Tier. Ein Tal war da zwischen Wänden aus hohen Felstürmen, an seinem Grund mit einem Teppich aus Blumen bedeckt. Hier stand in einem Hain bei einem schmalen Wasserfall ein kleiner weißer Tempel.
Die sieben Juwelen stießen aneinander wie Glocken, als das Halsband fiel. Es verfing sich plötzlich in Zweigen, und sein Fall wurde gebremst.
Wer weiß, welcher Gott an jenem Ort angebetet wurde? Drei Priesterinnen hüteten seinen Schrein und entzündeten ihm ein Licht an seinem Altar. Sie hatten niemand anderen zur Gesellschaft als sich selbst und eine kleine Schlange, von der man sagte, sie sei das Orakel des Gottes. An Festtagen pflegten die Leute vom Tal und den umliegenden Hügeln zum Tempel zu kommen, und die Priesterinnen pflegten die kleine Schlange, die ihnen teuer war, und die sie ansonsten wie ein Haustier behandelten, in ein mit Sand gefülltes Marmorbecken zu setzen. Dann pflegten sie ihm bestimmte Fragen hinsichtlich der Ernte, Geburt, Tod und Reichtum zu stellen, und wenn die Schlange sich ringelte, lasen sie die Eindrücke, die diese im Sand hinterließ, und das pflegten die Interpretationen des Orakels zu sein, die Antworten des Gottes. Auch pflegten sie das Gift der kleinen Schlange zu melken, das sie benutzten, um einen besonderen Weihrauch herzustellen. Dies war ziemlich gefahrlos, denn obwohl sie giftig war, biß die Schlange sie niemals, dafür hatte sie sie zu gern. Sie fütterten sie mit Honigkuchen und Sahne.
Jeden Morgen pflegte eine der drei Priesterinnen mit dem Wasserkrug zu dem schmalen Wasserfall zu gehen; an diesem Tag machte sich die Jüngste auf den Weg. Alle Vögel im Tal sangen, und die Priesterin sang mit ihnen. Doch als sie in die Nähe des Wassers kam, sah sie im Gehölz etwas blinken.
»Ein Stern muß in der
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