Herr der Nacht
lachte. Er war erfreut über diese unerwartete Zerstreuung.
»Setz’ dich und sei willkommen«, sagte er. Und er rief nach Becken mit Rosenwasser für den Gast, um seine Hände darein zu tauchen, und nach den besten Braten und Gemüsegerichten, um sie ihm zu reichen, und nach Weinen wie Rubin oder Topas, um seinen Becher damit zu füllen.
Dann warf der Fremde die Kapuze seines Umhangs zurück, die sein Gesicht verborgen hatte. Es gab nicht einen, der ihn sah, und nicht über seine außerordentliche Schönheit erstaunt war. Sein Haar war blauschwarz wie die Nacht, seine Augen glichen zwei schwarzen Sonnen. Er lächelte, doch das Lächeln war irgendwie unangenehm. Er streichelte den Lieblingshund des Königs leicht am Kopf, und der schlich davon und fiel in einer Ecke nieder.
»O König«, sagte er mit seiner Stimme, die wie dunkle Musik erklang. »Ich hatte gehört, daß Männer ihr Leben aufs Spiel setzten, um die Speisen deiner Tafel zu kosten. Willst du dich über mich lustig machen?«
Zoraschad wurde rot vor Zorn, aber die Ausrufe seiner Adligen ließen ihn auf den Teller blicken, den die Diener vor den Fremden gestellt hatten. Und dort, wo der Braten und die zarten Schößlinge sich befunden hatten, lag zusammengerollt eine geschmeidige, schleimig-grüne Schlange.
Zoraschad rief etwas. Ein Sklave ergriff hastig den Teller und warf seinen Inhalt ins Kohlebecken; gewiß fürchtete er seinen König mehr als das Gift der Schlange. Ein frischer Holzteller wurde herbeigebracht, und wieder überhäuften die Diener ihn mit duftenden Gerichten. Doch als der Fremde sein Messer in die Hand nahm, schien ein Rauch um den Tisch zu streichen, und plötzlich wand sich dort auf dem Teller ein Haufen wütender Skorpione.
»O König«, murmelte der Fremde mit sanftem Vorwurf in der Stimme, »es ist wahr, daß nur verzweifelte Menschen in deinem Knochenstuhl essen werden, da sie wissen, daß sie im Austausch für ihr Mahl den Tod erwarten mögen, aber sehe ich so ausgehungert aus, daß ich dieses Ungeziefer genießen würde, mit Stachel und allem?«
»Da ist Hexerei in meinem Palast am Werk«, brüllte Zoraschad, und sein ganzer Hof erbleichte, außer dem Fremden.
Gericht auf Gericht wurde herbeigebracht, aber keines davon wollte der Fremde essen, und niemand konnte ihm deshalb Vorwürfe machen. Alle Arten von Schreckensgestalten sprangen von den Tellern, sogar die Süßigkeiten verwandelten sich in Kieselsteine und Wespen. Und was den Wein angeht, so ergoß sich aus dem Pokal mit dem gelben, als man es ausschüttete, stinkender Urin, der rote war unverwechselbar Blut.
»O König«, sagte der Fremde düster, »ich dachte, es sei dein Brauch, unparteiisch Schicksale zuzumessen, aber nun sehe ich, daß es eher deine Gewohnheit ist, deine Gäste schon an der Tafel zu schlachten.«
Der König sprang auf. »Du selbst hast das Essen verdorben. Du bist ein Zauberer!« schrie er.
»Und du, Herr, bist ein Gott, so wurde mir gesagt. Kann ein Gott sich nicht vor solch dummen Kunstgriffen schützen, wie jeder arme Wanderer sie beherrschen mag?«
Überschäumend vor Wut schrie Zoraschad nach seiner Wache: »Ergreift den Mann und tötet ihn!«
Doch bevor ein eherner Fuß einen Schritt tun konnte oder eine bronzebewehrte Hand ein Schwert ergreifen, sagte der Fremde sehr sanft: »Bleibt«, und kein Mann und keine Frau vermochte sich zu bewegen, und alle saßen auf ihren Stühlen, als ob ihre Glieder sich in Stein verwandelt hätten.
Eine tiefe Stille legte sich dann über den Saal wie ein gigantischer Vogel, der seine Flügel faltet.
Der Fremde erhob sich und ging zum König, der zusammengesunken und wie festgefroren in seinem Stuhl saß, verbeugte sich tief und sprach in einem schmeichelnden Ton die Worte der Inschrift.
»Hier siehst du mit Schrecken Zoraschad, den Mächtigsten der Mächtigen, Beherrscher der Menschen und Bruder der Götter, der unter dem Himmel nicht seinesgleichen findet.«
Nur die Augen des zu Tode erschreckten Königs konnten sich bewegen. Im ganzen Saal bewegten sich nur Augen wie von irrsinnigen, juwelenbesetzten Fischen, als sie den weiteren Schritten des fürchterlichen Fremden folgten. Er ging lächelnd um die Tafel.
»Ich warte, o herrlicher König«, sagte er, »auf das Henkerbeil deiner Rache. Bitte erhebe dich und laß mir meine Strafe zukommen. Bin ich so sehr unter deiner Würde, daß du dich nicht herablassen willst, mich weiter zu demütigen? Soll ich für immer die Schande deines Mitleids
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