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Herr der Nacht

Herr der Nacht

Titel: Herr der Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tanith Lee
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all diese Dinge konnte Kaschak abwenden oder harmlos machen, und er sandte nichts zurück gegen seinen Peiniger. Dann kam eine Pest über den Garten, ein unsichtbarer Wurm, der die rosaroten Weidenbäume von innen her auffraß, die köstlichen Rosen vernichtete, den Wein in den Teichen mit ekelhaftem Schaum verklebte. Kaschak stellte seinen Garten wieder her und trieb den unsichtbaren Wurm aus. Er versiegelte und schützte jeden Quadratzentimeter des Bodens. Nicht ein Staubkörnchen konnte nunmehr eindringen. Kaschak setzte sich vor sein Zauberfenster in seinem Arbeitsraum, und er fand darin eine Insel, auf der Qebba brütete.
    Das Gesicht von Qebba war grün geworden vor Haß, und seine Augen waren in ihre Höhlen gesunken wie zwei bösartige Tiere. Seine Zähne waren gelb vom Nagen an Seealgen und Fischknochen, gelb und scharf wie zu der Zeit, als er den Wolfskopf gehabt hatte. Und eines seiner Beine war aus Mangel an Bewegung auf der kleinen Insel und wegen des naßkalten Wetters gelähmt. Und wenn er ging, zog er das Bein nach, wie er einst den Eidechsenschwanz hinter sich hergezogen hatte. Und sein Herz war wie das Herz eines Ebers robust und zäh.
    Kaschak versuchte auf mancherlei Art, seinen Widersacher loszuwerden. Er sandte Stürme über den Felsen, doch Qebba schlug sie zurück. Kaschak sandte eine Phantomfrau, die ihre Glieder entblößte und ihr rötliches Haar wehen ließ, aber in Qebba waren alle Lüste außer einer gestorben; er bewarf die Frau mit Steinen, bis sie verschwand. Kaschak sandte einen Blitzstrahl von ungeheurem Ausmaß, der die Spielzeuginsel in zwei Teile spaltete. Aber Qebba erschien grimmig grinsend auf dem größeren Teil.
    Die beiden Zauberer befanden sich in einer Sackgasse. Kaschak sprach zu Qebba durch das Zauberfenster: »Laß uns mit diesem Streit aufhören. Was willst du von mir?«
    »Dein Leben«, sagte Qebba. Seine eingesunkenen Augen glühten vor Haß. »Dein Leben und das Leben der Welt. Meine Macht dehnt sich aus. Ich sorge dafür. Niemand soll glücklich sein, denn ich war niemals glücklich. Niemand soll leben, denn ich hatte niemals eine Chance im Leben. Niemand soll lieben, außer im Grab, denn dort liegt meine Geliebte.«
    Da sah Kaschak, daß es keinen Zweck hatte. Kaschak war zornig, doch sein Zorn war nicht wie die hassende, grimmige, verzehrende Wut Qebbas. Kaschaks Zorn war bleischwer, und er hatte auch Angst.
    Kaschak rief vier Stürme, und von den vier Säumen ihrer riesigen Gewänder fertigte er ein übernatürliches Netz aus ineinandergewobenen, brausenden Windfasern. Als nächstes bat Kaschak mittels seiner Kunst einen der Gebieter des Meeres um eine Unterredung. Es ist nicht überliefert, wie der Herrscher kam, aber vielleicht hatte er eine blaue Haut, und sein Haar war eine brechende Woge aus Salzwasser und seine Begleitung ebenso, und vielleicht kamen sie in Kutschen aus Korallen, die von Gespannen gezogen wurden, welche aus riesigen, menschenfressenden schwarzen und weißen Haien bestanden. Vielleicht waren ihre Augen Kreise aus Gold um eine waagrechte, blaue Pupille, wie sie bestimmte Geschöpfe der Tiefe besitzen, und vielleicht wurden sie ungeduldig, da sie befanden, daß die Luft der Erde sie erstickte, und ihre schlanken, schuppigen Finger, die mit Juwelen von versunkenen Schiffen der Menschen geschmückt waren, spielten unruhig mit den Ketten von kleinen Glasgefäßen, in denen glänzende Fische – ihre Haustiere – umherflitzten und mit Stimmen sangen, die nur die Seevölker hören konnten.
    In jedem Fall wurde ein Handel abgeschlossen. Um Qebbas winzigen Felsen wurde ein Ring aus ozeanischem Zauber gelegt, den nichts durchdringen konnte, weder von außen noch von innen, so wie nichts das Sturmnetz durchdringen konnte, das darüber lag. Und als Gegenleistung für diesen Dienst warf Kaschak jedes Jahr an einem bestimmten Tag ein kostbares Schmuckstück ins Meer. Und solange Kaschak seinen Teil des Vertrags einhielt, würde der Seeherrscher den seinen ebenfalls erfüllen.
    Auf diese Weise wurde Qebba zum zweiten Mal in seinem armseligen Dasein gefangengesetzt. Seine Zauber waren machtlos, seine Wut kehrte sich gegen sich selbst.
    Zuerst lärmte und schrie er an den nicht-stofflichen und dennoch undurchdringlichen Wänden seiner Falle, aber das Heulen der Stürme war lauter. Er versuchte ebenfalls, einen Handel mit dem Meeresvolk abzuschließen, aber darin gab es für ihn keine Hoffnung, da er keine Reichtümer besaß und nichts anbieten konnte,

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