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Herr der Welt

Herr der Welt

Titel: Herr der Welt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jules Verne
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Ich habe noch
    gute Augen und brauche keine Brille, die Leute genau zu
    erkennen. Man späht nach Ihnen, das unterliegt keinem
    Zweifel, und Sie würden jedenfalls gut tun, auf die Fährte
    dieser Spione einige Geheimpolizisten zu schicken.«
    »Gut, das verspreche ich Ihnen, Grad«, sagte ich, nur um
    die alte Frau zu befriedigen, »und mit Hilfe eines meiner
    Detektive werde ich bald wissen, woran ich mich bezüglich
    dieser verdächtigen Burschen zu halten habe.«
    Eigentlich nahm ich die Mitteilung meiner Haushälterin
    nicht ernst.
    Ich fügte jedoch meinen Worten hinzu:
    »Na, wenn ich ausgehe, werde ich alle Vorüberkommen-
    den schärfer ins Auge fassen.«
    »Daran werden Sie klug tun, Mr. Strock.«
    Grad war ja leicht durch allerlei erregbar; übrigens
    wußte ich aber doch nicht, warum ich ihrer Aussage keine
    Bedeutung zumessen sollte.
    »Wenn ich die Männer wiedersehe«, fuhr sie fort, »werde
    ich es Ihnen sagen, Mr. Strock, bevor Sie einen Fuß aus dem
    Haus setzen . . .«
    »Schön . . . einverstanden!«
    Ich brach das Gespräch ab, da ich voraussah, daß Grad,
    wenn wir es fortsetzten, mir noch versichern würde, es wä-
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    ren Beelzebub und einer seiner Akolythen, die sich mir an
    die Fersen hefteten.
    An den beiden nächsten Tagen konnten wir uns über-
    zeugen, daß mich beim Ausgehen oder Heimkommen nie-
    mand belauerte . . . Ich schloß daraus, daß Grad sich doch
    getäuscht haben müßte.
    Am Morgen des 19. aber stieß Grad, die die Treppe
    schnellstens heraufgestiegen war, völlig außer Atem die Tür
    meines Zimmers auf.
    »Mr. Strock . . . Mr. Strock!« rief sie keuchend.
    »Was gibt es denn, Grad?«
    »Sie sind wieder da!«
    »Ja, wer denn?« fragte ich, denn ich hatte eben ganz an-
    dere Dinge im Kopf als die Ausspähungsversuche, deren
    Gegenstand ich gewesen sein sollte.
    »Natürlich die beiden Spione!«
    »Aha, die Spaßvögel von Spionen . . .«
    »Freilich . . . dort stehen sie . . . auf der Straße . . . Ihren
    Fenstern gegenüber. Sie beobachten das Haus in der Erwar-
    tung, daß Sie ausgehen werden!«
    Ich näherte mich dem rechten Fenster meines Zimmers
    und schob den Vorhang daran ganz wenig zurück, um es
    nicht bemerkbar zu machen. Richtig . . . da standen zwei
    Männern drüben auf dem Trottoir.
    Zwei mittelgroße kräftige Gestalten mit breiten Schul-
    tern, Leute, die 35 bis 40 Jahre zählen mochten, mit der ge-
    wöhnlichen ländlichen Kleidung, den Kopf beschattenden

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    Filzhüten, dicken wollenen Beinkleidern, derben Stiefeln
    und mit einem Stock in der Hand.
    Offenbar hatten sie die Tür und die Fenster meiner Woh-
    nung scharf und beständig im Auge. Zuweilen wechselten
    sie einige Worte, gingen dann auf dem Trottoir ein Dutzend
    Schritte dahin und kehrten wieder nach ihrem Beobach-
    tungsposten zurück.
    »Sind das die Individuen, die Ihnen aufgefallen waren,
    Grad?« fragte ich.
    »Ja, das sind sie, Mr. Strock.«
    An einen Irrtum meiner alten Haushälterin konnte ich
    nun wohl nicht mehr glauben, und deshalb nahm ich mir
    vor, die Sache ans Licht zu bringen. Den beiden Männern
    selbst zu folgen, erschien ausgeschlossen, denn sie hätten
    mich doch sofort erkannt, und was hätte es mir genützt,
    mich etwa unmittelbar an die Unbekannten zu wenden?
    Noch heute sollte ein Geheimpolizist vor mein Haus beor-
    dert werden, und wenn sie am Abend oder am nächsten Tag
    wieder erschienen, sollte ihnen dieser in angemessener Ent-
    fernung folgen. Der würde ihnen nachgehen, wohin sie sich
    auch wendeten, und dann mußte sich ihre Identität wohl
    schließlich feststellen lassen.
    Ob sie mich jetzt wohl erwarteten, um mich bis zum Po-
    lizeiamt unauffällig zu begleiten? . . . Das mußte sich ja bald
    zeigen, und wenn sie es taten, bot sich vielleicht gleich eine
    Gelegenheit, ihnen eine Gastfreundschaft zu erweisen, für
    die sie mir freilich kaum Dank wissen würden.
    Ich holte also meinen Hut und ging, während Grad am
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    Fenster stehenblieb, hinunter, öffnete ruhig die Haustür
    und trat auf die Straße hinaus.
    Die zwei Männer waren nicht mehr da.
    Das Bild ihrer äußeren Erscheinung aber, das ich mir fest
    eingeprägt hatte, würde in meiner Erinnerung nicht mehr
    verblassen.
    Trotz alles Umherspähens konnte ich sie nirgends ent-
    decken.
    Von diesem Tag an sahen wir, Grad und ich, sie nicht
    wieder vor meinem Haus, und ich begegnete ihnen auch
    niemals auf meinem gewohnten Weg.
    Wenn ich annahm, wirklich der Gegenstand

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