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Herr der Welt

Herr der Welt

Titel: Herr der Welt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jules Verne
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sie die Fälle hinunterzureißen drohte. Gegen
    Abend konnte man an Bord der Torpedojäger nichts ande-
    res glauben, als daß die ›Terror‹ in dem Abgrund vor dem
    Katarakt untergegangen wäre. Jedenfalls konnte man, da es
    inzwischen Nacht geworden war, davon ausgehen, daß kein
    Mensch das Luftschiff bemerkt hatte, als es sich über den
    Horse Shoe Fall emporschwang, und ebensowenig auf dem
    weiteren Weg bis zum Great Eyrie.
    Sollte ich nun bezüglich meiner selbst an Robur eine
    Frage richten? . . . Würde er überhaupt belieben, nur so zu
    scheinen, als ob er mich verstünde? Ihm genügte es ja of-
    fenbar, seinen Namen – nicht genannt, nein – hervorgesto-
    ßen zu haben in der Meinung, das sei auf alles eine hinrei-
    chende Antwort.
    Der Tag verstrich, ohne irgendeine Änderung in der Lage
    der Dinge herbeizuführen. Robur und seine Leute beschäf-
    tigten sich eifrig mit dem Apparat, dessen Maschinen wohl
    verschiedene Reparaturen nötig haben mochten. Ich schloß
    daraus, daß er nicht säumen würde, wieder abzufahren und
    daß ich an der Fahrt teilnehmen mußte. Man hätte mich
    zwar auch in diesem Kesseltal zurücklassen können, aus
    dem zu entweichen mir ganz unmöglich war und wo mein
    Leben für lange Zeit reichlich gesichert zu sein schien.
    Besonders fiel mir jetzt die Gemütsverfassung Roburs
    auf, denn ihn schien eine dauernde Gereiztheit, eine seeli-
    sche Spannung mehr denn je zu beherrschen. Was mochte
    da wohl in seinem stets überschäumenden Gehirn vorge-
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    hen? . . . Welche Pläne schmiedete er für die Zukunft? . . .
    Nach welcher Gegend würde er sich wenden? . . . Wollte er
    die in seinem Brief ausgesprochenen Drohungen, offenbar
    die Drohungen eines Geistesgestörten, wahrzumachen ver-
    suchen?
    In der auf den ersten Tag folgenden Nacht schlief ich auf
    einem Lager von trockenen Gräsern in einer der Höhlen
    des Great Eyrie, wohin man mir auch Nahrungsmittel ge-
    bracht hatte. Am 2. und am 3. August wurden die Arbeiten
    fortgesetzt, und dabei wechselten Robur und seine Gefähr-
    ten kaum einige Worte. Sie bemühten sich auch, vielleicht
    im Hinblick auf eine längere Abwesenheit, um die Herbei-
    schaffung des nötigen Proviants. Wer weiß auch, ob die
    ›Terror‹ nicht ungeheure Strecken durchmessen sollte, wenn
    ihr Kapitän nicht etwa die Absicht hatte, die weit draußen
    im Pazifik verlorene Insel X wieder aufzusuchen. Zuweilen
    sah ich ihn nachdenklich zwischen den Felswänden um-
    herirren, dann wieder stehenbleiben, die Arme zum Him-
    mel emporstrecken, so als erhöbe er sich gegen Gott, mit
    dem er die Herrschaft über die Welt zu teilen beanspruchte.
    Würde sein maßloser Stolz nicht noch zum reinen Wahn-
    sinn ausarten, einem Wahnsinn, den auch seine kaum we-
    niger überspannten Gefährten nicht mehr zu meistern ver-
    mochten? . . . Zu welch unglaublichen Abenteuern würde er
    sich noch verleiten lassen? . . . Hielt er sich doch schon da-
    mals, wo er nur ein Luftschiff besaß, für stärker als die Ele-
    mente, denen er höhnisch trotzte. Jetzt boten ihm das Land,
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    die Meere und die Lüfte ein unbegrenztes Feld, wo niemand
    ihn verfolgen konnte.
    Ich mußte von der Zukunft also alles, selbst die
    schlimmsten Katastrophen befürchten. Aus dem Great Ey-
    rie zu entweichen, ehe ich zu einer neuen Fahrt gezwungen
    wurde, das war ja ganz unmöglich. Befand sich die ›Terror‹
    aber einmal in der Luft oder glitt sie über Wasser, so war
    an dergleichen auch nicht zu denken, sondern höchstens,
    wenn sie vielleicht langsamer auf einer Landstraße dahin-
    rollte. Wahrlich, das wird jeder zugeben, eine recht schwa-
    che Hoffnung!
    Ich hatte, wie der Leser weiß, seit meinem Eintreffen
    im Great Eyrie vergebens den Versuch gemacht, von Ro-
    bur eine Antwort bezüglich dessen zu erhalten, was er über
    mich entschieden hatte. Heute wiederholte ich das. Am
    Nachmittag ging ich vor der Hauptgrotte des Kessels hin
    und her. Robur, der an ihrem Eingang stand, folgte mir mit
    einer gewissen Zähigkeit mit den Blicken. Es sah aus, als be-
    absichtigte er, mit mir zu sprechen.
    Da näherte ich mich ihm.
    »Kapitän Robur«, begann ich, »ich habe schon einmal
    eine Frage an Sie gerichtet, auf die Sie mir die Antwort
    schuldig geblieben sind. Diese Frage wiederhole ich hier
    nochmals: Was wollen Sie mit mir beginnen?«
    Da standen wir einander, kaum 2 Schritte weit, Auge in
    Auge gegenüber. Die Arme gekreuzt, starrte er mich an, und
    ich erschrak vor seinem

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