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Herr der Welt

Herr der Welt

Titel: Herr der Welt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jules Verne
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Blick. Ich entsetzte mich wirklich!
    Das war nicht der eines Mannes, der noch im Besitz seiner
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    Vernunft war, nein, ein Blick, der nichts Menschliches mehr
    an sich hatte.
    Ich wiederholte meine Frage mit mehr Nachdruck. Ei-
    nen Augenblick schien es, als wollte Robur sein hartnäcki-
    ges Stillschweigen brechen.
    »Was wollen Sie mit mir beginnen? . . . Werden Sie mir
    die Freiheit zurückgeben?«
    Ich sah es wohl, Robur war von gewissen Gedanken be-
    sessen, die ihn nicht mehr verließen. Die Bewegung, die mir
    schon aufgefallen war, als er vorhin vor sich hinbrütend auf
    und ab lief, diese Bewegung machte er auch jetzt wieder.
    Den Arm nach dem Zenit hinaufgestreckt, schien es, als ob
    eine unwiderstehliche Macht ihn nach höheren Sphären hi-
    naufzöge, als gehörte er der Erde gar nicht mehr an, als sei
    es seine Bestimmung, ein dauernder Bewohner der Atmo-
    sphäre, hoch oben im freien Weltraum zu leben.
    Ohne mich einer Antwort zu würdigen – er schien meine
    Frage überhaupt nicht gehört oder nicht verstanden zu ha-
    ben – wandte sich Robur in die Höhle zurück, wo Turner
    sehr bald zu ihm kam.
    Wie lange würde der Aufenthalt, oder vielmehr die Rast
    der ›Terror‹ im Hafen des Great Eyrie dauern? . . . Ich wußte
    das nicht, glaubte jedoch zu bemerken, daß die Reparatur-
    arbeiten und die Verproviantierung am Nachmittag des
    3. August beendet wären. Die Frachtkammern im Innern
    des Apparats waren mit Nahrungsmitteln reichlich gefüllt.
    Dann schleppten Turner und sein Gefährte in der Mitte des
    Kesseltals alles zusammen, was von verschiedenem Material
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    noch vorhanden war, leere Kisten, Überreste von Zimmer-
    werk und einzelne Holzstücke, wahrscheinlich lauter Über-
    bleibsel von dem alten ›Albatros‹, der beim Bau des neuen
    Luftschiffs geopfert worden war. Unter dem Gerümpelhau-
    fen lag eine dicke Schicht von dürrem Gras. Alles deutete
    darauf hin, daß Robur diese Zufluchtsstätte ohne den Ge-
    danken an eine Rückkehr dahin zu verlassen gedächte.
    Er wußte ja auch, daß die öffentliche Aufmerksamkeit
    dem Great Eyrie zugewendet und daß ein Versuch unter-
    nommen worden war, in diesen einzudringen. Da mußte er
    wohl fürchten, daß ein solcher früher oder später mit mehr
    Erfolg erneuert werden könnte, daß es schließlich gelänge,
    ins Innere der Felsmauer einzudringen, und ihm lag ja ge-
    wiß daran, hier keine Spuren von seinem Aufenthalt und
    von seinen Arbeiten zurückzulassen.
    Die Sonne war hinter dem hohen Kamm der Blue Ridge
    Mountains verschwunden. Ihre Strahlen vergoldeten nur
    noch den Gipfel des nordöstlichen, letzten Ausläufers des
    Black Dome. Ohne Zweifel würde die ›Terror‹ die Nacht ab-
    warten, ehe sie ihren Flug wieder aufnahm. Kein Mensch
    ahnte ja, daß sie sich aus einem Automobil und aus einem
    Wasserfahrzeug auch in ein Luftschiff verwandeln konnte.
    In der Höhe schwebend wurde sie noch von niemand gese-
    hen, wenigstens war darüber noch nichts gemeldet worden.
    Und würde sie nicht in dieser vierten Transformation an
    dem Tag aufsteigen, wo der »Herr der Welt« seine wahnsin-
    nigen Drohungen wahrmachen wollte?
    Gegen 9 Uhr lagerte tiefe Finsternis auf dem Grund des
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    Kessels. Kein Stern glitzerte am Himmel, der mit dicken,
    vom Ostwind dahingetriebenen Wolken bedeckt war. Das
    Vorüberfliegen der ›Terror‹ konnte daher weder über dem
    amerikanischen Gebiet, noch über den angrenzenden Mee-
    ren bemerkt werden.
    Jetzt trat Turner an den in der Mitte des Horstes errich-
    teten Scheiterhaufen heran und setzte das trockene Gras in
    Brand.
    Alles stand in kürzester Zeit in hellen Flammen. Dicker
    Rauch wälzte sich hinauf, und dazwischen erhoben sich
    Feuergarben, die über die Randfelsen des Great Eyrie hin-
    auszüngelten. Noch einmal mußten die Bewohner von Plea-
    sant Garden und von Morganton glauben, daß der – ver-
    mutliche – Krater sich wieder geöffnet habe und daß diese
    Flammen einen bevorstehenden Vulkanausbruch ankün-
    digten.
    Ich betrachtete die Feuersbrunst und vernahm das Knis-
    tern und Krachen, das die Luft erfüllte. Robur, der auf dem
    Verdeck der ›Terror‹ stand, beobachtete ebenfalls das grau-
    sige Schauspiel. Turner und sein Gefährte warfen auf die
    Brandstätte die Trümmer zurück, die vom Feuer neben
    diese auf die Erde geschleudert worden waren.
    Allmählich verblaßte der Feuerschein. Zuletzt glimmte es
    nur da und dort noch unter einer dicken Aschenschicht

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