Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Herr der Welt

Herr der Welt

Titel: Herr der Welt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jules Verne
Vom Netzwerk:
– er-
    schreckt von der Schnelligkeit, womit das Gewitter zum Ze-
    nit hinaufzog. Ein Schiff hätte kaum Zeit gehabt, seine Segel
    zu bergen, um den drohenden Sturm aushalten zu können,
    so schnell und heftig erfolgte dieser Überfall.
    Plötzlich entfesselte sich der Wind mit geradezu unerhör-
    ter Gewalt, als hätte er eine Wand von Dünsten durchbro-
    chen. Augenblicklich erhob sich ein furchtbarer Wogengang.
    Die empörten Wellen, deren Kämme sich weißschäumend
    — 272 —
    überschlugen, fegten wütend über die ›Terror‹ hinweg, und
    wenn ich mich nicht krampfhaft festgehalten hätte, wäre ich
    dabei über Bord gespült worden.
    Hier gab es nur eine Rettung: den Apparat sofort wie-
    der zum Tauchboot zu verwandeln und ihn 10 Fuß unter
    der Oberfläche ruhiges Wasser aufsuchen zu lassen. Dem
    Wüten des entfesselten Meeres noch länger zu trotzen, das
    erschien doch unmöglich. Robur blieb auf dem Verdeck,
    und ich erwartete die Aufforderung, mich in meine Kabine
    zurückzuziehen; diese Aufforderung erfolgte jedoch nicht,
    ebensowenig wurde auch irgendeine Vorbereitung zum Un-
    tertauchen getroffen.
    Das Auge noch wilder aufflammend, starrte der Kapi-
    tän, den dieses Unwetter völlig kalt ließ, direkt hinein, wie
    um der Elemente zu spotten, da er wußte, daß er von diesen
    nichts zu befürchten hätte. Noch erschien es dringend ge-
    boten, daß die ›Terror‹ untertauchte, ohne nur eine Minute
    zu zögern, Robur schien sich dazu aber nicht entschließen
    zu wollen.
    Nein, er bewahrte seine hochmütige Haltung wie ein
    Mann, der sich in seinem unbezähmbaren Stolz erhaben
    über der Menschheit fühlt. Als ich ihn in dieser Haltung be-
    obachtete, fragte ich mich, nicht ohne ein gewisses Schau-
    dern, ob dieser Mann nicht etwa ein fantastisches, aus einer
    übernatürlichen Welt stammendes Wesen wäre.
    Da tönten aus seinem Mund die folgenden gottesläster-
    lichen Worte, die ich inmitten des Brausens des Sturms und
    des Krachens der Donnerschläge verstand:
    — 273 —
    »Ich . . . ich . . . der Herr der Welt! . . . Gleich Gott! . . .
    Gleich Gott!«
    Danach machte er ein Zeichen, das Turner und dessen
    Genosse zu deuten wußten. Es war ein Befehl, und die Un-
    glücklichen, die ebenso wahnwitzig waren wie er, führten
    ihn ohne Zögern aus.
    Die großen Flügel weit entfaltet, erhob sich das Luft-
    schiff, genau wie über den Fällen des Niagara. War es damit
    aber zu jener Zeit den Wirbeln des Katarakts entgangen,
    trug es sein wahnsinniger Flug heute mitten in die Wirbel
    des Gewittersturms hinein.
    Der Aviator zog mitten durch die sich kreuzenden Blitze,
    mitten durch das Krachen des Donners an dem in Feuer
    stehenden Himmel hin. Er bewegte sich in gottlosem Trotz,
    könnte man sagen, durch die blendenden Strahlen, jeden
    Augenblick bedroht, getroffen und zerschmettert zu wer-
    den.Robur hatte seine Haltung nicht im geringsten verän-
    dert. Das Steuer hielt er in der einen, den Regulator in der
    andern Hand, und die Turbinen bohrten sich in die Luft
    ein, die Flügel schlugen auf und nieder, als ob sie brechen
    sollten, der Wahnsinnige aber trieb den Apparat in das
    schlimmste Unwetter und da hinein, wo die elektrischen
    Entladungen von einer Wolke zur anderen schlugen. Dazu
    wiederholte er mit schrecklicher Stimme:
    »Gleich Gott! . . . Gleich Gott!«
    Man hätte sich auf diesen Verrückten stürzen und ihn
    mit Gewalt hindern sollen, das Luftschiff mitten in den
    — 274 —
    Hochofen der Luft zu treiben. Man hätte ihn zwingen sol-
    len, hinunterzusteigen und unter dem Wasser die Rettung
    zu suchen, die weder hier, noch auf der Meeresfläche oder
    in den höchsten Schichten der Atmosphäre mehr zu finden
    war. Dort, unter der Wasserfläche hätte er es in aller Sicher-
    heit abwarten können, bis der wütende Kampf der Elemente
    ausgefochten war.
    Da wallten alle meine Instinkte, all meine Leidenschaft
    für Pflichterfüllung in mir auf . . . Ja, es war der reine Wahn-
    sinn, diesen Verbrecher, den mein Vaterland in Acht und
    Bann getan hatte, der die ganze Welt mit seiner teuflischen
    Erfindung bedrohte, nicht dingfest zu machen, nicht die
    Hand auf ihn zu legen, um ihn der strafenden Gerechtig-
    keit zu überantworten! . . . War ich denn Strock, der Ober-
    inspektor der Bundespolizei, oder war ich es nicht mehr?
    Und ohne zu bedenken, wo ich mich befand und daß ich ei-
    ner gegen drei war, hier über einem tief aufgewühlten Meer,
    eilte ich nach dem Heck des Aviators und rief,

Weitere Kostenlose Bücher