Herr der zwei Welten
schließlich auch nicht schlecht, mal aus dem gewohnten Trott rauszukommen. Ich jedenfalls bin hier um mich zu amüsieren! Morgen will ich ins Dorf. Mit dem Boot. Kommst du mit?“
Die Frage war an Julie gerichtet. Sie kannte diese Dorfausflüge mit Detlef nur zu genau. Wie oft war sie mit ihm unterwegs gewesen? Tina hatte an solchen Ausflügen keinen Spaß gefunden, also waren sie zumeist alleine gefahren. Jedes Mal hatten sie alte Freunde und Bekannte getroffen und das Wiedersehen war dann immer feuchtfröhlich gefeiert worden.
Doch diesmal schüttelte Julie den Kopf.
„Nein, ich denke, es wird besser sein, wenn du diesmal alleine gehst.“
„Prima!“ lachte Tina. „Dann brauche ich ja diesmal nur ein Aspirin bereit zuhalten.“
Julie lachte mit. Nur Detlef machte ein ernstes Gesicht.
„Was ihr nur wieder denkt!“
Der Abend wurde noch gemütlich. Erst gegen Mitternacht fanden sie den Weg ins Zelt. Julie war auch müde. Es war ein anstrengender Tag gewesen und die frische Luft hatte das Übrige getan. Nach kurzer Zeit hörte sie auch Tinas gleichmäßige Atemzüge, zu denen sich auch bald schon Detlefs Schnarchen gesellte. Doch trotz der Müdigkeit konnte Tina nicht einschlafen. Ihre Gedanken kehrten fast augenblicklich zu Eugeñio zurück. Verdammt! Sie gab sich alle Mühe einzuschlafen, zählte Schäfchen, versuchte ihren Gedanken andere Wege aufzudrängen. Aber es wollte ihr einfach nicht gelingen! Nach einer halben Stunde gab sie den Versuch zu schlafen auf. Sie schlüpfte in ihre Jeans, zog sich ihre Sportschuhe über und verließ das Zelt. Sie wollte einfach ein wenig herumlaufen. Dann kam ihr der Gedanke, zum See zu gehen. Vielleicht, so dachte sie, traf sie dort auf alte Bekannte, mit denen sie noch ein wenig Small Talk machen konnte. Oben am See schlief kaum jemand. Dort machte man leichte Konversation, spielte Musik und trank Bier und Wein. Es war dort eigentlich immer recht lustig zugegangen, erinnerte sie sich. Die Stille des Waldes tat ihren angespannten Nerven gut. Julie schnupperte in die Luft. Der würzige Duft nach Fichtennadeln stieg ihr in die Nase. Nachts roch der Wald immer noch intensiver als am Tage. Sie liebte diesen Geruch und die Stille. Nur die verschiedenen Tierstimmen und der Wind unterbrachen die Ruhe. Die Frösche gaben ihr nächtliches Konzert. Wie laut sie doch nachts klangen! Irgendwo rief eine Eule, Julie fühlte sich von ihrem Ruf gegrüßt. Es war albern, aber so fühlte sie nun mal. Hier oben hatte Julie noch niemals Furcht verspürt; nur einen tiefen entspannenden Frieden. Dies hier, das war ihr Wald! Sie erinnerte sich wage: Letztes Mal war sie mit Mark hier gewesen. Wie lange lag das nun schon zurück! Kaum noch vorstellbar, dass sie mal an der Seite dieses Mannes gegangen war. Ohne ihr Zutun und erst recht gegen ihren Willen, begann sie zu träumen. Mit Eugeñio musste es hier wunderschön sein! Hier, an seinem Arm, durch den nächtlichen Wald spazieren, musste ein nahezu himmlisches Gefühl sein. Jeder Schritt verstärkte ihren Traum. Bald schon hatte sie das Gefühl, er liefe direkt neben ihr. Es war, als hörte er ihr zu. Sie sprach laut. Niemand würde sie hier hören. So lief sie beinahe eine halbe Stunde lang. Völlig in ihrem Traum versunken. Wie schön das doch wäre! Doch die Wirklichkeit würde sie wohl niemals erleben können, so war der Traum das Einzige, das sie hatte. Diesen Traum konnte ihr niemand nehmen.
Plötzlich hielt sie erschrocken den Atem an. Sie blieb stehen und lauschte. War da nicht etwas? Ja, es waren Schritte. Jemand kam dort den Weg entlang. Genau auf sie zu. Nun bekam sie doch ein beklemmendes Gefühl. Sollte sie sich verstecken? Doch sie verwarf den Gedanken gleich wieder. Sicher war es auch nur ein Camper, der nicht schlafen konnte. Genau wie sie. Vielleicht aber hatte er nur den Weg zum See verpasst. Sie würde es sicher gleich erfahren, denn die Schritte waren jetzt sehr nah. Julie lief langsam weiter. Nach wenigen Schritten stand er vor ihr.
„Hallo. Guten Abend.“ grüßte er. „Sagen Sie junge Frau, kennen sie sich hier aus? Ich wollte eigentlich zum See, habe mich aber wohl verlaufen.“
Julie lächelte. Sie hatte es ja bereits geahnt. Sie nickte.
„Den haben Sie dort hinten verpasst. Sie sind gerade daran vorbei gelaufen. Ich will auch hin, also wenn Sie mich begleiten wollen, zeige ich Ihnen gerne den Weg.“
Er sah sie lächelnd an.
„Sind Sie denn ganz alleine hier?“ fragte er. Julie war in
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