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Herr der zwei Welten

Herr der zwei Welten

Titel: Herr der zwei Welten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sibylle Meyer
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Hände.
    „Geduld! Ja, ja, natürlich gibt es nicht nur das eine. Wie sonst sollten sie den züchten? Na also! – Aber wie ich schon sagte, sie sind eigentlich vollkommen harmlos. Jedenfalls hier, in unserem Land. Hier stehen ja überall genügend große Pflanzen, die ihren Hunger schnell stillen können. Selbstverständlich würden sie wohl viel lieber einen Menschen in ihren Gedärmen spüren als solch ein läppiges Grünzeug. Aber sie können eben nur ein einziges Mal innerhalb von zehn Sonnentagen speisen. Und sie müssen das, was sie überrollen, also das, was sie unter ihren schleimigen Körpern haben, auch zu sich nehmen. Sie haben keine Wahl! –Versteht ihr?- Nein? – Also, man muss nur eine dieser großen Pflanzen zwischen sich und den Fulgris bringen, aber so, dass ihm gar keine Chance bleibt, die Richtung zu ändern, dann hat man gewonnen! – Man ist in Sicherheit! – Für wenigstens zehn Sonnentage. – Unsere Kinder machen sich ihren Spaß mit den Fulgris. So lernen sie das schnelle Laufen und ihre tollen Haken zu schlagen. Die Fulgris sind primitive Lebensformen. Sie können keine kurzen Bögen nehmen. Sie können einen Menschen nur auf gerader Strecke oder in schrägen Bahnen verfolgen. Und sie steuern ihn immer nur direkt an. Irgendwie können sie die Pflanzen, die plötzlich zwischen ihnen und ihren vermeintlichen Opfern stehen gar nicht wahrnehmen. Oder eben, sie bemerken sie erst, wenn es schon längst zu spät ist und ihre Gedärme schon dabei sind das Grünzeug zu verdauen.“
    Dervit kicherte und kratzte sich gleich darauf verlegen am Kopf. Vermutlich gab er sich die Schuld an dem, was passiert war. Vielleicht sagte er sich, wenn er seine Gäste vorher aufgeklärt hätte, wäre das alles gar nicht geschehen. Kai tat er fast leid. TsiTsi bemerkte wohl ebenfalls Dervits Unsicherheit und fiel wohl deshalb lachend ein.
    „Seht ihr?“ rief sie, mit einer Albernheit, die sie vermutlich nicht empfand. „Sie sind völlig ungefährlich! Wir dachten doch, dass ihr das wisst. So wie Pieter mit ihm gespielt hat … Na ja, hoffentlich seht ihr ein, dass wir es nicht böse gemeint haben. Wir haben einfach nicht verstanden, dass ihr Angst hattet. Aber jetzt kennt ihr sie ja. Diese labbrigen Substanzen sind nicht gefährlich, wenn man weiß, was zu tun ist. – Nur gut, dass Morsena das nicht mit angesehen hat!“
    Dervit und TsiTsi schüttelten sich jetzt wirklich vor Lachen. Julie schätzte, dass sie einfach nicht anders konnten. Dervit lachte so sehr, dass er immer wieder auf sein Knie einschlug. Julie beobachtete ihre Freunde und musste feststellen, dass es ihnen sehr schwer fiel, auch nur ein einzelnes kleines Lächeln zustande zu bringen. Der gerade überstandene Schrecken saß einfach noch zu tief, als dass die kurze Erklärung alles vergessen machen konnte. Nur Bernhard, der nicht dabei gewesen war und diese glibberige Masse nicht gesehen hatte, sagte plötzlich:
    „Hört sich fast so an, als wenn wir unseren Kindern sagen würden, passt auf, wenn ihr über die Straße geht.“ Dann lachte er. Allerdings war er wohl der Einzige, der seinen Witz verstanden hatte, denn alle anderen blickten ihn nur entgeistert an. Selbst die Blauen verstummten und blickten vollkommen erschrocken Bernhard an. Julie vermutete, dass es die Lautstärke war, die sie erschreckt hatte.
    „Na ja, wir werden uns schon daran gewöhnen.“ hörte sie TsiTsi leise zu Dervit sagen.
    Nicht nur Julie, sondern auch Liz hatten sie trotzdem verstanden.
    „Wir sind es, die sich an diese Welt gewöhnen müssen. Nicht umgekehrt.“ Liz’ Stimme war nicht mehr als ein Flüstern, und doch klangen ihre Worte laut in Julies Ohren.
    *

    „Ich war heute wieder bei der Polizei.“ stellte Tina wie beiläufig fest.
    Nancy schlief schon seit einiger Zeit und Detlef war soeben von seinem allabendlichen Spaziergang mit Sissi zurück. Draußen regnete es und seine Laune war, so nass, wie er war, auch nicht gerade rosig. Eigentlich hatte er gehofft, einen netten Abend mit seiner Frau vor dem Fernseher verbringen zu können. Zwei oder drei Flaschen kühles Bier dazu hätten seine Stimmung sicher heben können. Aber wie er bereits geahnt hatte, wurde daraus sicher nichts. Warum kann sie nur nicht damit aufhören? Als ob ihre Schwester noch ein Baby wäre! dachte er, aber dann fragte er doch:
    „Und, was hat die Polizei gesagt?“ Er hoffte nur, dass seine Stimme nicht zu genervt geklungen hatte, denn das würde den Abend dann ganz und gar

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