Herr der zwei Welten
so kam jeder vielleicht grade mal auf zehn Stunden Schlaf, den sie in der gesamten Zeit gehabt hatten. Dunkle Augenringe und blasse Haut, trotz der Sonnen, die tagsüber erbarmungslos brannten, waren zumindest bei den Erdenmenschen die Folge. Die Blauländer waren hier dem Anschein nach doch besser den Anforderungen angepasst. Aber auch ihre Lippen waren rau und die Worte kamen nur noch vereinzelt über ihre Lippen. TsiTsi stolperte viel zu oft, als dass es ihr gut ginge. Karons Zustand hatte sich nicht gebessert. Schweiß bedeckte seinen kleinen, schwachen Körper. Seine Lippen waren blutig. Seit sie die Höhle verlassen hatten, hatte er seine Augen nicht wieder geöffnet. Julie wunderte sich bereits, dass Karon es überhaupt noch schaffte zu atmen. Doch solange er dies tat, würde sie durchhalten! Auch wenn es ihr mittlerweile nur noch schlecht ging. Ihre Lungen schmerzten von der ungewohnten Anstrengung, ganz zu schweigen von ihren Füßen, sie waren wund und brannten wie Feuer. Aber sie ertrug all die Schmerzen gerne, wenn es Karon nur bald wieder besser gehen würde! Aber jeder Blick zu dem Jungen nahm ihr mehr und mehr von ihrem anfänglichen Optimismus. Karon zitterte mittlerweile so stark, dass es immer schwieriger wurde, ihn auf der Tragbahre zu halten. Oft drohte er einfach runter zu rutschen. Stumm und nur noch von dem Wunsch getrieben, endlich anzukommen, stolperten sie durch das blaue Land.
Julie seufzte leise. Zu mehr fehlte ihr einfach die Kraft. Sechs Tage- und außer den Temperaturschwankungen hatte sich nichts geändert! Plötzlich blieb der Trupp stehen. Vor ihnen tat sich eine Nebelwand auf, die so dicht war, dass man keine zwanzig Zentimeter mehr weit sehen konnte. Die Blauen gingen in den Nebel und waren im selben Moment verschwunden.
„Folgt uns!“ hörten sie Dervit rufen.
Kaum dass sie einen Schritt in diesen Nebel getan hatten, konnten sie die Hand nicht mehr vor den Augen sehen. So dicht war dieser Nebel. Er schien sich weit zu erstrecken. Schon bald merkten sie, wie sich dieser Nebel auch noch auf die Atemwege legte. Bei Julies Leuten, genau wie bei den Blauen. Hier gab es also keinen Heimvorteil mehr, dachte Julie erschöpft. Hier fiel das Atmen jedem schwer. Stunde um Stunde kämpften sie sich durch diese schwere Nebelwand, die immer noch dichter zu werden schien. Jetzt waren sie nur noch durch ihr Gehör miteinander verbunden. Julie überfiel eine furchtbare Angst; wie leicht konnten sie sich in diesem Nebel verlieren! Wie grausam musste es sein, hier zu sterben! Einsam, nichts als graue Schwaden ringsumher.
Aber dann endlich begann der Nebel sich zu lüften! Hell strahlte die Sonne auf das Land, das nun vor ihnen lag. Das Gelbe Land! Die wiedergewonnene Freiheit entlockte fast allen einen leisen Aufschrei der Freude und Erleichterung. Julie spürte, wie ihr eine Träne die Wangen herablief. Ihr zweiter Blick galt allerdings wieder Karon, ob auch er diese Strapazen, inmitten von undurchdringlichem Nebel, gut überstanden hatte. Die ganze Strecke, während sie in der Nebelwand waren, hatte man den Jungen nicht sehen können. Was wäre gewesen, wenn er gerade dort von der Trage gerutscht wäre? Hätten Bernhard oder Kai es überhaupt bemerkt? Karon wog um so vieles weniger als die selbst gebaute Trage und sie beide waren, genau wie alle anderen, am Ende ihrer Kräfte. Erleichtert stellte Julie fest, dass nichts Schlimmes passiert war. Karon ging es nicht gut, aber er lag nach wie vor auf der Trage und er lebte auch noch. Julie fiel ein Stein vom Herzen. Nachdem sie sich Klarheit über Karons Zustand verschafft hatte, blickte sie sich um. Erstaunt riss sie die Augen auf. Sie seufzte laut auf, aber sie hätte jubeln mögen!
„Seht euch das an!“ rief sie. „Wir sind zuhause! Auf der Erde! Oh Gott, wie wunderbar!“
Sie tanzte sogar einige Schritte. Bernhard und Kai erging es genauso. Kai jubelte los und von Bernhard kam ein erstauntes: „Mamma Mia!“
Das Tageslicht war noch genauso, wie sie es in Erinnerung hatten. Der Himmel! Oh wie schön, dieses Blau zu sehen, durchzogen von weißen Wolken!
Sie standen auf einer grünen Wiese, die sich weit vor ihnen erstreckte. Sie kannten das Gras und auch die größeren Pflanzen weit und breit. Julie streckte den Arm aus und erklärte singend die Pflanzen, die sie erkannte. Warum auch sollte sie jetzt nicht singen? Sie waren gerade neu geboren worden!
Dort standen zwei Birken, ihre Zweige bewegten sich im Wind. Sie zeigte auf gewaltige
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