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Herr der zwei Welten

Herr der zwei Welten

Titel: Herr der zwei Welten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sibylle Meyer
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Genesung für Karon keinen Bestand hatte. TsiTsi kniete bei ihrem Sohn und befeuchtete seine, vom Fieber heiße, Stirn mit einem Tuch, das sie ins Wasser des Sees getaucht hatte.
    „Das Wasser hat vielleicht die heilende Wirkung.“ sagte sie zu Julie. „Ich hoffe es bringt Karon wenigstens etwas Linderung.“
    Dann nickte sie Bernhard und Kai zu, die sogleich wieder die Trage ergriffen und weiter ging es. Plötzlich bemerkten sie eine leichte Bewegung, sie kam direkt aus dem Fliederbusch, der sich vor ihnen befand. Aufmerksam blickten sie auf das Strauchwerk. Die Zweige teilten sich und zwei Menschen traten hervor. Es waren ein Mann und eine Frau. Kaum hatten sie die Deckung verlassen, als sie in ihren Bewegungen innehielten. Wie zwei Statuen wirkten sie plötzlich. So still. Ihre blauen Augen musterten sie erschrocken. Julie erinnerten sie an zwei Rehe, die im winterlichen Wald plötzlich auf Menschen gestoßen waren. Julie fühlte sich seltsam, was nicht zuletzt daran lag, dass diese beiden Menschen genau so aussahen wie die Menschen in ihrer Welt. Nur ihre Kleidung war eine ganz andere. Aber dennoch nicht so fremd, wie Julie es in der Blauen Welt erlebt hatte. Sie hatte diese Art von Kleidung schon gesehen; in Museen. Die Frau trug ein langes, mit vielen Überröcken ausgestattetes Kleid. Es war von einem tiefen Blau und der Stoff schien reine Seide zu sein. Um ihren Hals glänzte eine weiße Perlenkette, ihre blonden Haare trug sie hochfrisiert und ebenfalls mit weißen Perlen verziert. Ihre kleinen Füße, Julie schätzte sie auf Schuhgröße 35, steckten in weißen Spitzenpantoffeln. Der Mann, der noch immer reglos neben ihr stand, trug einen roten Überrock, darunter eine schwarze, ebenfalls aus Seide bestehende Hose. Unter den Ärmeln des Überrocks schauten die Rüschen eines weißen Hemdes hervor. Seine Fußbekleidung bestand aus schwarzen Spangenschuhen und weißen Strümpfen. Auf seinem Kopf saß ein großer Hut mit blauen Federn. Es schienen Pfauenfedern zu sein und ihr Blau passte hervorragend zu dem Kleid, das die Frau trug. Die Beiden schienen direkt aus einem Historienfilm zu stammen. Nur ihre Augen passten nicht in dieses Bild. Julie beobachtete die Beiden staunend. Und wie schon damals, als sie sich plötzlich in der Blauen Welt wiedergefunden hatte, war es Kai, der als erster seinen Schrecken überwunden hatte. Er sprach die Beiden freundlich an. Aber keiner der Beiden reagierte. Dann versuchte Bernhard es. Aber noch immer schienen die Beiden sie nicht zu verstehen.
    Seltsam, dachte Julie, im Blauen Land hatte es keine Verständigungsprobleme gegeben. Nun war Kai zur Zeichensprache übergegangen. Eigentlich funktionierte so etwas in jeder Sprache, dachte Julie, aber die Beiden zeigten sich auch davon unbeeindruckt. Die Blauen schwiegen die ganze Zeit über. Niemand von ihnen machte sich die Mühe mit den beiden Fremden kommunizieren zu wollen. Doch endlich kam Bewegung in die Beiden. Doch sie sahen nur TsiTsi und Dervit an. Auch Simonja wurde eines kurzen Blickes gewürdigt. Nur die Erdenmenschen hielten sie wohl nicht für beachtenswert. Erst als sie sich Karon ansahen, trat etwas wie Mitgefühl in ihre Blicke. Dann sahen sie tatsächlich auch zu Julie und den beiden anderen! Grenzenloses Erstaunen trat plötzlich in ihre Augen. Ihr Erstaunen galt Julie, Kai und Bernhard. Julie wunderte sich. Wenn sie es waren, die die Gelbländer so erschreckten, wieso dann erst jetzt? Schließlich hatten Kai und auch Bernhard die ganze Zeit versucht mit ihnen in Kontakt zu treten. Außerdem sahen sie doch genauso aus wie die Gelbländer. Warum dann also dieses Erschrecken? Schlagartig wandten die Beiden sich um und verschwanden, wie sie gekommen waren. Erstaunt sah Julie ihnen nach, doch sie waren bereits nicht mehr zu sehen. Auch ihre leisen Schritte waren schon bald nicht mehr zu hören. Julie sah sich zu ihren Freunden um, aber Kai und Bernhard waren genauso überrascht wie sie.
    „Sie sehen in euch Fremde.“ erklärte Dervit. „Auch wenn ihr ihnen bis aufs Haar gleicht. Dennoch sind die Unterschiede zwischen euch größer, als zwischen uns. – Sie waren sehr erstaunt, als ihr sie angesprochen habt. Aber das ist euch sicher nicht entgangen.“ Dervit kicherte leise. „Ihr müsst wissen, diese Leute hier reden niemals mit Fremden. Uns hätten sie sicher ebenfalls bestaunt, wenn wir es gewagt hätten, dermaßen ihre Regeln zu verletzen!“ Dervit lachte noch einmal auf. Julie war nun noch mehr

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