Herr des Chaos
Ich mag es, mit dir zusammenzusein. Ich habe dich vermißt.«
Sie kreuzte die Arme und sah ihn stirnrunzelnd von der Seite an. Ihre Beine zuckten. Wenn ihr Fuß den Boden erreicht hätte, hätte sie aufgestampft. »Alles das über Elayne. Und diese ... Aviendha? Wer ist sie übrigens? Mir scheint, daß du sie beide liebst. Oh, hör auf, herumzuzappeln. Du schuldest mir einige Antworten. Zu sagen, ich wäre nicht... Antworte mir einfach: Liebst du sie beide?«
»Vielleicht tue ich das«, sagte er zögernd. »Das Licht helfe mir, ich glaube, vielleicht tue ich das. Macht mich das zum Wüstling, Min, oder nur zu einem begierigen Narren?« Sie öffnete den Mund und schloß ihn wieder. Sie warf ärgerlich den Kopf zurück und preßte die Lippen zusammen. Er fuhr eilig fort, bevor sie ihm sagen konnte, welches von beidem ihrer Meinung nach zutraf. Er wollte es nicht wirklich von ihr hören. »Es ist jetzt ohnehin nicht noch wichtig. Es ist vorbei. Ich habe Aviendha fortgeschickt, und ich werde sie nicht zurückkommen lassen. Ich werde zu ihr und Elayne eine Meile Abstand halten, oder wenn möglich zehn Meilen.«
»Bei der Liebe von...! Warum, Rand? Was gibt dir das Recht, eine solche Wahl für sie zu treffen?«
»Min, verstehst du nicht? Ich bin ein Ziel. Jede Frau, die ich liebe, wird auch zum Ziel. Selbst wenn der Pfeil mir gilt, könnte er auch sie treffen. Er könnte sogar auf sie abgezielt sein.« Er atmete geräuschvoll aus und lehnte sich zurück, die Arme auf die mit Rosenschnitzereien versehenen Armlehnen des Sessels gestützt. Sie drehte sich ein wenig und betrachtete ihn mit dem ernstesten Gesichtsausdruck, den er jemals bei ihr gesehen hatte. Min lächelte stets und war immer ein wenig belustigt über alles. Aber jetzt war sie nicht belustigt.
Er selbst war auch vollkommen ernst. »Lan hat mir gesagt, er und ich seien uns in mancherlei Weise ähnlich, und das stimmt. Er sagte, es gäbe Männer, die Tod ausstrahlen. Er selbst. Ich. Wenn sich ein solcher Mann verliebt, ist das größte Geschenk, das er machen kann, so viel Entfernung zwischen sich und die Geliebte zu legen wie möglich. Das verstehst du doch, oder?«
»Ich verstehe nur...« Sie schwieg einen Moment. »Nun gut. Ich bin deine Freundin, und ich bin froh, daß du dir dessen bewußt bist, aber glaube ja nicht, daß ich aufgeben werde. Ich werde dich davon überzeugen, daß ich kein Mann und kein Pferd bin.«
»Min, ich sagte, ich...«
»O nein, Schafhirte. Nicht deutlich genug.« Sie wand sich derart auf seinem Schoß, daß er sich räuspern mußte, und setzte dann einen Finger auf seine Brust. »Ich will Tränen in deinen Augen sehen, wenn du es sagst. Ich will Speichel an deinem Kinn sehen und ein Stottern in deiner Stimme hören. Du mußt nicht denken, daß ich dich nicht bezahlen lassen wollte.«
Rand konnte nicht umhin zu lachen. »Min, es tut wirklich gut, dich hierzuhaben. Du siehst nur einen Jungen aus den Zwei Flüssen mit schmutzigen Füßen in mir.«
Ihre Stimmung veränderte sich blitzartig. »Ich sehe dich, Rand«, sagte sie seltsam ruhig. »Ich sehe dich.« Sie räusperte sich, zupfte ihre Kleidung geziert zurecht und legte die Hände auf die Knie. Wenn sie überhaupt geziert sitzen konnte. »Ich kann also genausogut mit dem fortfahren, weshalb ich gekommen bin. Offensichtlich weißt du von Salidar. Das wird einiges Stirnrunzeln bewirken, das kann ich dir versprechen. Was du wahrscheinlich nicht weißt, ist, daß ich nicht allein hier bin. Eine Abordnung aus Salidar ist nach Caemlyn gekommen, um dich aufzusuchen.«
Lews Therin murrte, ein entferntes Grollen. Die Erwähnung von Aes Sedai regte ihn seit Alanna und der Verbindung stets auf, wenn auch nicht so sehr wie Taims Nähe.
Rand mußte, trotz Lews Therins Grollen, beinahe lächeln. Er hatte das vermutet, seit Min ihm den Brief von Elayne ausgehändigt hatte. Die Bestätigung glich fast einem Beweis dafür, daß sie ängstlich waren, wie er es sich schon gedacht hatte. Was sonst konnten sie sein - Aufrührer, die dazu getrieben wurden, sich am Rande der Weißmäntel-Macht zu verbergen? Und sehr wahrscheinlich wollten sie auch wissen, wie sie in die Weiße Burg zurückkriechen konnten, um fingernägelkauend darüber nachzudenken, wie sie Elaidas Gunst zurückerlangen könnten. Nach dem, was er über Elaida wußte, hatten sie wenig Grund zur Hoffnung, und das mußten sie noch besser wissen als er. Wenn sie eine Abordnung zum Wiedergeborenen Drachen gesandt hatten, zu einem
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