Herr des Lichts
in Seitengassen. Nach einiger Zeit erreichten sie die Straße, die zum Palast der Meister des Karma hinaufführte. Während sie dieser Straße folgten, tauschte Siddhartha mit den drei Dutzend Kriegern, die an verschiedenen Stellen beiderseits des Weges im Unterholz verborgen lagen, geheime Zeichen aus.
Als sie die Hälfte des Weges zum Palast zurückgelegt hatten, hielten der Fürst und die acht Männer, die ihn begleitet hatten, an, den Anschein erweckend, als ob sie eine Rast einlegen wollten. Tatsächlich warteten sie auf die anderen, die sich vorsichtig von Baum zu Baum schlichen und nicht Schritt halten konnten.
Aber nicht lange, und auf dem oberen Wegstück zeigte sich Bewegung. Sieben Reiter, alle sieben auf Pferden, näherten sich, und der Fürst vermutete, daß es seine sechs Ulanen und der Khan waren. Als sie in Rufweite kamen, beschleunigten die sieben ihren Ritt auf Siddharthas Gruppe zu.
»Wer seid Ihr?« fragte der hochgewachsene, scharfäugige Reiter, der im Sattel einer weißen Stute saß. »Wer seid Ihr, daß Ihr es wagt, dem Fürsten Siddhartha, dem Bezwinger der Dämonen, den Weg zu versperren?«
Der Fürst betrachtete ihn - muskulös und sonnenbraun, Mitte zwanzig, kraftvolle Haltung, falkengleiche Züge - und hatte mit einemmal das Gefühl, daß seine Befürchtungen unbegründet gewesen waren und daß er mit all seinem Argwohn und seiner Skepsis nur sich selbst hintergangen hatte. Der geschmeidige Leib des Menschenexemplars, das dort auf seinem, Siddharthas Pferd saß, schien zu beweisen, daß Brahma die Übereinkunft mit ihm in gutem Glauben geschlossen und die Meister angewiesen hatte, ihm einen vorzüglichen und kräftigen Körper zu geben; einen Körper, in dem nun der alte Khan steckte.
»Siddhartha-Herr«, sagte der Mann, der an der Seite des Herrschers von Irabek geritten war, »wie es aussieht, war kein Betrug im Spiel. Ich kann keine Mängel an seinem Körper erkennen.«
»Siddhartha!« rief der Khan. »Wer ist dieser Mann, den du mit dem Namen deines Herrn anzusprechen wagst? Ich bin Siddhartha, der Bezwinger der Dämonen.« Bei diesen Worten warf er seinen Kopf zurück, und seine Stimme erstarb in einem Gurgeln.
Dann hatte der Anfall den Khan voll erfaßt. Sein ganzer Körper versteifte sich, und er verlor den Halt und fiel aus dem Sattel. Siddhartha lief zu ihm. In den Mundwinkeln des Khans standen kleine Schaumflocken, und seine Augen waren nach oben gerollt.
»Epileptisch!« rief der Fürst. »Sie wollten mir ein Gehirn geben, das verletzt war.«
Die anderen stiegen ebenfalls ab und halfen dem Fürsten dabei, den Khan zu halten, bis der Anfall vorüber war und der Mann wieder zu Sinnen kam.
»W-was ist geschehen?« fragte er.
»Verrat«, sagte Siddhartha. »Verrat, o Khan von Irabek! Einer meiner Männer wird Euch jetzt zu meinem Leibarzt bringen, der Euch untersuchen wird. Mein Rat an Euch ist, eine Beschwerde im Tempel des Brahma einzureichen, sobald Ihr Euch erholt habt. Mein Arzt wird Euch in Hawkanas Herberge behandeln. Danach seid Ihr wieder frei. Es tut mir leid, daß das geschehen ist. Vielleicht wird es sich richtigstellen lassen. Wenn nicht, erinnert Euch an die letzte Belagerung von Kapil und betrachtet uns als in jeder Hinsicht quitt, Khan. Guten Abend, Fürstenbruder.« Er verneigte sich vor dem anderen, und seine Männer halfen dem Khan in den Sattel eines Braunen, den Siddhartha sich zuvor von Hawkana geliehen hatte.
Der Fürst beobachtete vom Rücken seiner Stute aus den Abzug des Khans, dann wandte er sich den Männern zu, die um ihn herumstanden. Mit einer Stimme, die laut genug war, daß auch die, die neben der Straße warteten, ihn verstehen konnten, sagte er:
»Wir neun werden jetzt in den Palasthof einreiten. Zwei Hornstöße, und ihr anderen folgt uns. Wenn sie Widerstand leisten, dann zeigt ihnen, daß das sehr unbesonnen war, denn drei weitere Hornsignale, und die fünfzig Ulanen werden uns aus den Bergen zur Hilfe kommen. Es ist ein Palast, indem die Sorglosigkeit herrscht, kein Fort, in dem man Schlachten schlägt. Nehmt die Meister gefangen. Beschädigt nicht ihre Maschinerie und verhindert, daß irgend jemand anderes sie beschädigt. Wenn sie keinen Widerstand leisten - um so besser. Wenn sie es aber tun, werden wir den Palast und die Halle der Meister des Karma so behandeln wie ein kleiner Junge einen riesigen und überaus kunstvoll gebauten Ameisenhaufen. Viel Glück. Und die Götter seien nicht mit Euch!«
Er zog sein Pferd herum und
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