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Herr des Lichts

Herr des Lichts

Titel: Herr des Lichts Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Roger Zelazny
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erspare mir diese Begegnung!«
    »Wie du willst, Siddhartha. Ich will auf dich hören. Deine Worte haben mich ergriffen, Sam. Aber ich möchte ihre Kraft auf die Probe stellen. Ich werde deshalb einige Rakascha gegen sie aussenden. Wir zwei jedoch werden eine weite Reise machen, hinunter in die tiefsten Tiefen der Erde. Dort werden wir die Siegesnachricht erwarten. Wenn die Rakascha den Kampf gegen mein Erwarten verlieren sollten, dann werde ich dich weit weg von hier tragen und dir deinen Körper wiedergeben. Ich möchte ihn gern noch ein paar Stunden tragen und von deiner Erregung über den Zusammenstoß der Rakascha und der Götter kosten.«
    Sam neigte den Kopf.
    »Amen«, sagte er, und er verspürte ein prickelndes, brodelndes Gefühl, als er sich vom Boden abhob und durch unermeßliche Höhlengänge getragen wurde, die nie eines Menschen Fuß betreten hatte.
     
    Während sie von einem Höhlengewölbe ins nächste eilten, Tunnel und Klüfte, Schächte und Labyrinthe, Grotten und Steinkorridore hinter sich lassend, wanderten Sams Gedanken in die Tiefen seines Gedächtnisses und wieder zurück. Er dachte über die vergangenen Tage seiner Mönchschaft nach, als er versucht hatte, die Lehren des Gautama auf das Religionssystem anzuwenden, durch das diese Welt beherrscht wurde. Er dachte an den Fremden, an Sugata, in dessen Händen beides gelegen hatte, Tod und Segen. Die Jahre würden vergehen, und ihre Namen würden verschmelzen, und ihre Taten würden sich vermischen. Er hatte zu lange gelebt, um nicht zu wissen, wie die Zeit im Topf der Legende rührt.
    Es hatte einen wirklichen Buddha gegeben, das wußte er jetzt. Die Lehre, die er, Sam, verbreitet hatte, wie sehr sie auch geheuchelt gewesen war, hatte diesen wahren Jünger angezogen, ihn, dem auf seltsame Weise die Erleuchtung zuteil geworden war, der das Denken der Menschen mit seiner Heiligkeit gezeichnet und sich schließlich willentlich dem Tod in die Hände gegeben hatte. Tathagata und Sugata würden Teil einer einzigen Legende sein, das wußte er, und Tathagata würde nur jene Strahlen reflektieren, die sein Schüler geworfen hatte. Nur der eine und einzige Dhamma würde bleiben.
    Dann dachte er zurück an den Kampf vor der Halle des Karma und an die Maschinen, die immer noch an einem geheimen Ort lagerten. Und er dachte an die zahllosen Übertragungen, denen er sich vor dieser Zeit unterzogen hatte, an die Kämpfe, die er durchfochten, an die Frauen, die er durch die Zeitalter hindurch geliebt hatte; er dachte darüber nach, was eine Welt sein konnte und was diese Welt war und warum sie so war. Dann übermannte ihn wieder sein Zorn gegen die Götter. Er dachte an die Tage zurück, als eine Handvoll von ihnen gegen die Rakascha und gegen die Nagas, die Gandharvas und die Rasse-aus-dem-Meer, die Kataputna-Dämonen und die Mütter-der-schrecklichen-Glut, die Dakschinis und die Pretas, die Skandas und die Pisakas gekämpft und sie alle besiegt hatte, und er dachte daran, wie sie, die Ersten, eine Welt dem Chaos entrissen und die erste Stadt der Menschen errichtet hatten. Er war Zeuge gewesen, wie die Stadt alle Phasen durchlaufen hatte, die eine Stadt durchlaufen kann - bis sie nun von denen bewohnt wurde, die ihren Geist für einen Augenblick beschleunigen und sich in Götter verwandeln konnten, indem sie sich selbst eine Erscheinung verliehen, die ihren Körper stärkte, ihren Willen stählte und die Macht ihrer Wünsche zu göttlichen Fähigkeiten steigerte, zu Fähigkeiten von magischer Kraft, die all jene traf, gegen die die Götter sie einsetzten. Er dachte über diese Stadt und diese Götter nach, und er wußte um ihre Schönheit und ihre Rechtmäßigkeit, um ihre Häßlichkeit und ihr Unrecht. Er dachte an ihren Glanz und an ihre Farben - und an den Gegensatz, in dem der Rest der Welt dazu stand, und er weinte, während er doch zornig war, denn er wußte, daß er es niemals als wirklich richtig, aber auch niemals als wirklich falsch empfinden konnte, sich den Göttern und der Stadt widersetzt zu haben. Das war der Grund, weshalb er so lange gewartet und nichts unternommen hatte. Nun würde alles, was er unternahm, beides bringen, Sieg und Niederlage, Erfolg und Versagen; und gleichgültig, ob der Ausgang all seiner Handlungen den Traum der Stadt bestehen lassen oder ihn zerstören würde, er würde die Last der Schuld zu tragen haben.
     
    Sie warteten in der Dunkelheit.
    Lange Zeit warteten sie stumm. Die Zeit war wie ein alter Mann, der einen

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