Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Herr: Die Schattenherren 3 (German Edition)

Herr: Die Schattenherren 3 (German Edition)

Titel: Herr: Die Schattenherren 3 (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Corvus
Vom Netzwerk:
die helle Farben hoffähig gemacht hatte? Guardaja gehörte zum Lehen Schattengraf Gadiors, der Widaja verbunden war, aber jeder rechnete damit, dass Lisanne ihr früheres Einflussgebiet zurückfordern würde. Selbst wenn man den Krieg außer Acht ließ, war damit unklar, wer in einem oder zwei Jahren die weltliche Herrschaft über den Süden und damit auch über Brens Festung hätte. Im geistlichen Bereich stellte sich die Lage anders dar. Karat-Dor lag so nahe an Guardaja, dass keine andere Kathedrale Anspruch würde erheben können. Jittara war die Nachtsucherin von Karat-Dor. Schon die Tatsache, dass sie einen so hohen Rang erreicht hatte, war ein eindrucksvoller Beweis dafür, dass sie zum Überleben neigte. Selbst kniend behielt sie ihren Stolz. Den Stab mit dem polierten Kinderschädel an der Spitze umklammerte sie fester als mancher Bannerträger sein Feldzeichen.
    »Vielleicht neidete ich Euch die Stärke, die ich bereits in Eurem sterblichen Sein spürte«, fuhr sie fort. Sie sprach leise. Es gab keinen Grund, die Stimme zu heben. Brens Sinne waren so fein, dass ihm kein Flüstern entgangen wäre. Zudem drangen die Verse der Gemeinde, die sich im Hauptschiff versammelt hatte, nur als gedämpftes Murmeln bis hierher vor. Möglich, dass Jittara sie überhaupt nicht hörte.
    Sie befanden sich im hinteren Teil von Orgaits Kathedrale, wo das Volk keinen Zutritt hatte. Hier waren die Kapellen untergebracht, in denen sich die Ränge des Kults in Verehrung übten, wo die Adepten zu Seelenbrechern geformt wurden, man Seelenbrecher zu Dunkelrufern erhob. Hier wurden auch störrische Bürger von der Unbezweifelbarkeit der dunklen Lehre überzeugt. Oftmals war dies die letzte Einsicht, die sie in ihrem Leben erlangten – durch Schmerzen, deren Dauer nur vom Einfallsreichtum jener abhing, in deren Hände sie gefallen waren. Meist gingen ihre Familien ihnen voraus. Bei einem Hochverräter, der einen Anschlag gegen Schattenherzog Ponetehr geplant hatte, hatten alle Menschen, die ihn von seiner Geburt bis zum Zeitpunkt der Tat zu Gesicht bekommen hatten, sein Schicksal geteilt. Das war hier geschehen, in der Kathedrale von Orgait, und es galt noch heute, eineinhalb Jahrhunderte später, als vorbildliche Tat, hatte es doch seitdem keine nennenswerte Rebellion mehr im schwarzen Herzen des Imperiums gegeben.
    »Wenn es mir gestattet ist, wage ich anzufügen, dass ich Euch schon vor Eurer Erwählung die Hand reichte.« Noch immer hielt Jittara den Blick gesenkt. »Wir begegneten uns im Palast, wenn Ihr Euch erinnern mögt. Ihr wart in Begleitung einiger Ghoule.«
    Bren nickte. »Unmittelbar vor dem Mord, den ich beging.«
    »Ob es Mord ist oder eine Heldentat, wird die Zukunft offenbaren.«
    Die Morde, die in diesem Raum begangen worden waren, waren sicher keine Heldentaten. Jedenfalls nicht in Brens Augen. Dazu wäre notwendig gewesen, sich selbst einer Gefahr auszusetzen. Die Ketten und Schellen an den Wänden machten aus jedem, der unter anderen Umständen ein Gegner hätte sein können, ein hilfloses Opfer. Jetzt war er mit Jittara allein, aber die Blutrillen, die sich durch den Boden bis zu einem gezackten Stern zogen, in dessen Zentrum Jittara kniete, reichten aus, um sich vorzustellen, was hier geschah, wenn die Fesseln ihrer Bestimmung gemäß angewandt wurden. Obwohl Götterverehrung im Reich der Schattenherren verboten war, gab es hier Bildnisse von Myriana der Fruchtbringenden, Terron dem Stier und einigen anderen. Kerben, Dellen und getrocknetes Blut wiesen darauf hin, dass sie benutzt wurden, um die Schwäche der Gefallenen zu demonstrieren und die Verzweiflung der Gequälten zu steigern. Eiserne Halterungen, die klauenbewehrten Händen nachgebildet waren, mochten Essenzkristalle aufnehmen. Jetzt waren sie leer, im Gegensatz zu den Gestellen, in denen Zangen verschiedener Größen, Peitschen und dornenbestückte Stöcke auf ihre Benutzung warteten. Drei Kohlebecken und eine grün züngelnde Flamme sorgten für Helligkeit und Schatten gleichermaßen.
    Bren ging im Raum umher. Selbst seinen Sinnen gelang es nicht, zu bestimmen, wie viele Ecken er hatte. Formte er sich aus sieben Flächen oder aus neun? Oder mal aus sieben und einige Augenblicke später aus neun, dann wieder aus sieben? Die Wände verschoben sich nicht, und doch war die Form in Bewegung.
    Jittara erriet seine Gedanken. »Dieser Raum existiert in mehr als nur einer Wirklichkeit«, erklärte sie. »In allen sieht er ein wenig anders aus, aber seine

Weitere Kostenlose Bücher