Herr: Die Schattenherren 3 (German Edition)
wird, indem man frisches Feuer aus der Tiefe holt.«
Bren griff nach der Scheibe. Sie war dünn wie ein Blech, aber massiv, die Ziselierungen durchbrachen sie nicht. Mit einer raschen Bewegung schob er sie über die Flamme.
»Spürt Ihr das Verlöschen des Lichts?«, fragte Jittara.
»Nein«, behauptete Bren. In Wirklichkeit war unverkennbar, dass der Astralstrom, in dem er stand, sprunghaft an Kraft zunahm, aber er gönnte Jittara den Triumph nicht, jede seiner Erfahrungen voraussagen zu können.
»Wie bedauerlich. Ich habe auf mehr gehofft. Der Glaube des Volkes, der natürliches Licht der Finsternis entgegensetzt, ist von Übertreibung geprägt. Aber Kometenfeuer ist besonders, es durchquert unvorstellbare Entfernungen in Leere und Dunkelheit. Wenn sein Licht erlischt, sollte man das erspüren können. Aber Ihr seid ja noch jung.«
Sie war ihm zuwider.
Es wurde Zeit, dass er ihr ins Gedächtnis rief, dass er ein Unsterblicher war und sie nur eine Dienerin der Osadroi. An den Namen Jittara würde sich in ein paar Jahrzehnten niemand mehr erinnern. »Wir enden für heute«, bestimmte er.
Kurz nur zuckte Jittaras Gesicht, dann verbeugte sie sich. »Wie Ihr wollt. Schickt nach mir, wenn Ihr die Unterweisung fortzusetzen wünscht.«
Wortlos griff er die Kiste mit Kirettas Haken und verließ den Raum, von dem er noch immer nicht zu sagen vermochte, wie viele Wände er hatte.
Bren stieg eine Treppe hinauf und folgte einem Gang, dem durch viele schattenwerfende Vorsprünge ein gewundener Verlauf aufgezwungen wurde. Er gelangte in den Hauptraum der Kathedrale. Die hohe Decke verlor sich im Dunkel. Zwischen überlebensgroßen Obsidianstatuen knieten etwa hundert Gläubige. Ein dünner Nebel glitzernder Essenz stieg von ihnen auf und wanderte zu Kristallen, die ihn einsogen. In den Kapellen bearbeiteten einige Seelenbrecher kleine Gruppen. Manche wurden in den Weisheiten der Schwarzen Bücher unterwiesen, andere durften versuchen, ihre Schwäche zu überwinden, indem sie unter Aufsicht Gefangene folterten und dabei ihr eigenes Mitleid niederrangen. Verstohlene Blicke folgten Bren, dem Erwählten, dem Osadro.
Er verließ die Kathedrale durch ein Nebentor, trat einige Schritte weit eine frische Spur in den Schnee, hielt dann inne und sah zu den Sternen auf. Tatsächlich war Vejata beinahe vollkommen rund.
»Was willst du, Dunkelrufer?«, fragte er fest, ohne sich umzudrehen.
Der Mann, der ihm hinausgefolgt war und dessen Atem ebenso unüberhörbar war wie sein Herzschlag, machte einen Bogen um Bren, bis er vor ihm angelangte und auf die Knie sank. Er drückte beide Fäuste in den Schnee und beugte das Haupt. »Meine Wünsche sind ohne Bedeutung, Herr.«
»Es liegt nicht an dir, zu entscheiden, was von Interesse für mich ist.«
Der Mann hob das Gesicht. »Ich hoffte, Ihr würdet Euch an mich erinnern.«
Bren runzelte die Stirn. Die Robe zeigte seinen Rang im Kult. Bren hatte sie in der Kathedrale gesehen, wo der Mann als Einziger nicht erstarrt oder respektvoll zurückgewichen war. Jetzt war das rituelle Gewand beinahe vollständig unter einem dicken Fellmantel verborgen. Sein brünettes Haar trug er schulterlang, die grünen Augen glommen in einem Gesicht, das zwar bei Weitem nicht so bleich war wie Jittaras, aber auch nicht oft von der Sonne geküsst worden war.
»Vor der Festtafel«, murmelte Bren. »Du hast mir geöffnet, als Velon mich zu sich rief.«
Der Dunkelrufer lächelte. »So ist es. Ich heiße Attego. Zu Euren Diensten, Baronet. Ich freue mich, dass Ihr Euch meiner entsinnt.«
»Nicht immer ist Erinnerung für mich eine Freude«, gestand Bren, bevor er begriff, was er sagte. »Nichts gegen dich«, fügte er hinzu.
Nachdenklich nickte Attego. »Ich weiß, wie es mit der Erinnerung ist.«
Einen Moment sah Bren ihn an. »Steh auf und geh ein Stück mit mir.«
Vor Attegos Mund wurde der Atem zu einer hellen Wolke. Brens Körper dagegen hatte schon jetzt das bisschen Wärme verloren, das er in der Kathedrale aufgenommen hatte. Er tastete an dem Bärenfellumhang. »Mir müsste kalt sein«, sagte er.
»Einem Menschen ist kalt. Aber Ihr seid kein Mensch mehr.«
»Nein«, sagte Bren und wunderte sich darüber, wie wenig Zufriedenheit in seiner Stimme lag.
»Nun seid Ihr von den Beschränkungen der Sterblichkeit befreit, Herr. Nicht nur, was Eure Lebensspanne angeht. Ihr könntet auch das Ewige Eis durchqueren, wenn dies Euer Wunsch wäre.«
»Um die Burg der Alten zu suchen?«, fragte er. »Warum
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