Herr: Die Schattenherren 3 (German Edition)
Armlänge entfernt.«
»Meine Schwermut geht dich gar nichts an!«, zischte er.
Sie lüpfte eine Braue, während sich ihre Lippen zu einem dünnen Lächeln verzogen. »So seht Ihr also zornig aus. War das der letzte Anblick, den der Mann gestern mit in das Nebelland nahm?«
»Welcher Mann?«
Nun hob sich auch die zweite Braue. »Oder war es eine Frau? Damit hätte ich nicht gerechnet. Nach allem, was ich von Euch hörte, seid Ihr milde zum schönen Geschlecht.«
»Ich weiß nicht, wovon du redest.«
»Ein alter Feind? Jemand, der Euch kürzlich enttäuschte? Oder nur jemand, der zum falschen Zeitpunkt Euren Weg kreuzte? Vielleicht, weil Ihr erzürnt wart von dem, was die Zusammenkunft vor dem Schädelthron notwendig machte?« Ihr Schulterzucken schickte Wellen durch die Pelerine. »Ihr seid mir keine Rechenschaft schuldig.«
»Sehr richtig.« Demonstrativ nahm er den Morgenstern an sich.
»Vielleicht sollte ein Schneider ein passenderes Gewand für Euch anfertigen. Dieses ist schon zerschlissen, dort, wo die Stachelkugel zu ruhen kommt.«
»Ich bin sehr froh, dass du mir immer sagst, was ich zu tun habe«, spottete er, wurde sich aber im selben Moment bewusst, dass er wie ein trotziges Kind redete.
Jittara verbeugte sich. »Verfahrt mit ihr, wie es Euch beliebt. Sie wird nicht mehr gebraucht.« Damit entfernte sie sich.
Bren hätte den Raum auch gern verlassen, aber das hätte so ausgesehen, als ob er der Nachtsucherin nachgelaufen wäre. Er ärgerte sich, weil ihn solche Bedenken kümmerten, blieb aber dennoch neben dem Bett stehen.
»Ich sehe dich zittern«, sagte er.
»Nichts bleibt den Schatten verborgen«, hauchte sie. »Sie wohnen in jedem Herzen. Sie warten in jedem Winkel. Sie legen sich über die Welt, wenn es ihnen beliebt.«
»Bist du eine Seelenbrecherin?«
Ihre Schultern sanken. »Ich wurde für unwürdig befunden.«
»Von wem? Von Jittara?«
»Ich bin zu unwichtig, als dass sich die erhabene Nachtsucherin mit mir beschäftigt hätte.«
»Immerhin hat sie dich zu mir gebracht.«
»Eine unverdiente Gunst. Ich war so unverschämt, darum zu bitten, einen Unsterblichen nähren zu dürfen.«
Der Gedanke erschien Bren so absurd, dass er auflachte.
Erschrocken sah die Frau ihn an. »Weist Ihr mich zurück?« Ihre Augen waren groß und dunkel. Sie hatte sie mit schwarzem Strich nachgezogen.
Wie ist solche Ergebenheit in dein Herz gekrochen?, fragte sich Bren. Auch Krieger waren loyal, zu ihrer Heimat, zu ihren Kameraden, zu ihrem Feldherrn. Das lag an den Härten, die man gemeinsam durchstand. Der eigene Schild konnte nicht überall sein. Auf dem Schlachtfeld verdankte man sein Leben schnell dem Mann, der rechts von einem stand. Im Kult kämpfte man nicht mit Waffenstahl, und zumeist auch nicht mit vereinten Kräften, sondern gegeneinander. Intrige und Verrat wurden erwartet, der Listigste und Skrupelloseste setzte sich durch. Und doch warfen die Kleriker ihr Leben bedenkenlos weg, wenn sie sich davon versprachen, die Schatten zu verdunkeln. Ihre Schlachten wurden im Herzen geschlagen, und dort war die Finsternis unüberwindlich. Warum war diese Frau gescheitert? Hatte sie den Welpen nicht erwürgen können, den sie genährt hatte? Oder war es eine weniger harmlose Prüfung gewesen? Vielleicht auch die erfolgreiche Intrige eines anderen Aspiranten.
»Wie heißt du?«, fragte er und wusste im gleichen Moment, dass es ein Fehler war. Wenn man den Namen kannte, war ein Mensch nicht mehr irgendwer. Er wurde zu einer Person.
Sie schien eine ähnliche Überlegung zu haben. Die Hoffnung, für einen Schattenherrn bedeutsam zu sein, zeigte sich auf ihrem Gesicht. »Quinné.« Sie hielt den Atem an, als erwarte sie eine besondere Reaktion von ihm.
Bren wandte sich ab. Außer dem leeren Waffenständer bot nichts seinem Blick Halt. Er hatte sich noch nicht damit befasst, seine Räumlichkeiten einzurichten, zumal er damit rechnete, bald nach Guardaja befohlen zu werden.
»Hasst Ihr mich?«
Bren hörte die geflüsterten Worte nicht nur klar und deutlich, er nahm auch das Zittern darin wahr. Quinnés Unsicherheit hätte er auch ohne dieses Signal erfasst. Osadroi hatten ein Gespür für Emotionen, die auf sie gerichtet waren. Schon diese milde Angst vor Zurückweisung hätte ausgereicht, um die Essenz aus ihrer Brust zu rufen.
»Warum sollte ich dich hassen?«
Er hörte sie schlucken. »Dann ist es vielleicht nicht Hass, sondern Verachtung. Weil ich versagt habe.«
Bren überlegte, ob er sie nun
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