Herr: Die Schattenherren 3 (German Edition)
Sicherungsbolzen löste und die Tür öffnete.
»Euer Bote sagte mir, Ihr habt nach mir verlangt, Herr.« An Boldriks Tonfall war nicht zu hören, ob ihm das angenehm war.
Es war Bren auch gleich. »Weil ich weiß, dass du mir keinen Unsinn erzählen wirst, wenn ich dich nach der Lage frage.«
»Wenn Ihr Offenheit wünscht, werde ich sie Euch geben.«
»Ich wünsche. Erhebe dich. Wartet man schon auf uns?«
»General Bretton ist im Süden beim Heer. Schattenherzogin Widaja schläft, wir rechnen nicht damit, dass sie heute Nacht noch erwacht.«
Der Fluch des Alters, dachte Bren.
»Ich schlage vor, dass wir uns dennoch in Räumlichkeiten begeben, in denen wir uns angenehmer unterhalten können.«
»Das soll mir recht sein«, sagte Bren und bemerkte den erlösten Ausdruck auf Attegos Gesicht. Wahrscheinlich übertraf dieser wenige Tage lange Ausflug in die Wildnis alle Anstrengungen, die er bisher auf sich genommen hatte. Kleriker stählten ihren Geist, nicht ihren Körper.
Das Stöhnen begleitete sie auf dem Weg durch den Palast. Bren unterschied wenigstens ein Dutzend Stimmen, hörte aber keine Schmerzensschreie mehr. Boldrik führte sie in einen Raum in einem vielzackigen Turm oben auf dem Felsen. Auf drei Seiten erlaubten Fenster einen Blick in die Ferne. Im Zentrum stand ein ovaler Tisch, auf dem zwei schwarze Kerzen mit niedriger Flamme brannten. Dieses Licht reichte aus, um Brens Augen alle Einzelheiten der Einrichtung zu enthüllen, von den geschnitzten Lehnen der Sessel über die in einem verwirrenden Muster gefügte Steindecke bis zu den Wappen zwischen den Fenstern, allesamt ondrisch, schwarz, die Motive mit umlaufenden grauen Linien dargestellt. Jedenfalls war das der Stil aller ondrischer Wappen gewesen, bevor Bren die blaue Wappenzeichnung auf der Urkunde gesehen hatte, mit der G ERG ihn zum Herrn über Guardaja gemacht hatte.
Attego war anzusehen, dass er sich gern gesetzt hätte, aber natürlich war das undenkbar, solange der Osadro stand. Warten wir noch ein wenig mit den Annehmlichkeiten, entschied Bren. »Wo stehen die Fayé?«
»Unbekannt«, meldete Boldrik. »Sie stoßen immer wieder vor, ziehen sich dann aber sofort zurück, bieten keine Front.«
»Die letzten Schlachten, an denen sich Fayé beteiligt haben, fanden im Silberkrieg statt«, sagte Bren. »Damals haben sie sich den Nachtschattenwald geholt. Sie haben alle getötet, die sich hineintrauten und keine Nebel in den Augen hatten.«
»Diesmal brennen sie gern Dörfer nieder. Manche von denen sind schon von den Menschen verlassen. Viele ziehen über die Wetterberge, die anderen nach Norden und Westen.«
»Habt ihr von den Flotten auf dem Meer der Erinnerung gehört? Uns hat man in Wetograd davon berichtet.«
»Wir wissen davon, aber der Sinn ist uns unklar. Sie landen keine Truppen an, aber für Kundschafter sind sie zu viele und die meisten Schiffe sind zu groß. Die Flüchtigen, die wir abgefangen haben, berichten von Predigern oder Herolden, die in ihre Dörfer gekommen sind und sie beschworen haben, nach Osten zu gehen. Dort brächte man sie in Sicherheit.«
Bren runzelte die Stirn. »Was ist das für ein Stöhnen? Ich höre es schon die ganze Zeit.«
»Gefolterte Fayé«, antwortete Boldrik lakonisch.
Natürlich, mittlerweile musste es Kriegsgefangene geben. »Was haben sie über die Pläne König Ilions verraten?«
»Nichts. Man hat sie nicht gefragt. Man nennt Widaja den Tod der Unsterblichen. Sie spricht nicht mit ihnen, sie erfreut sich an den Lauten ihrer Qual.«
»Aber heute Nacht schläft sie doch.«
»Möge es ihre Träume versüßen«, sagte Boldrik mit Resignation in seiner Stimme. »Wisst Ihr, man kann Unsterbliche viel ausgiebiger foltern als …«
Es klopfte. Beinahe gleichzeitig wurde die Tür geöffnet. Bren erkannte die bleiche Frau mit dem von einem Kinderschädel gezierten Zeremonialstab sofort. »Nachtsucherin Jittara«, begrüßte er sie mit einem Nicken.
Sie kniete nieder.
»Setz dich«, sagte er und nahm nun auch selbst Platz, was für Attego willkommener Anlass war, ebenfalls von den strapazierten Beinen zu kommen.
»Widaja würde Euch sicher empfangen, wenn …«, begann Jittara.
Bren winkte ab. »Ich wusste nicht, dass du hier bist. Wirst du in Orgait nicht mehr gebraucht?«
»In Orgait hat sich einiges getan. Ghoulmeister Monjohr ist tot.« Sie fixierte Attego. Monjohr war wohl eine Figur in dem Intrigenspiel gewesen, das sich innerhalb des Kults großer Beliebtheit erfreute, und nun
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