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Herr: Die Schattenherren 3 (German Edition)

Herr: Die Schattenherren 3 (German Edition)

Titel: Herr: Die Schattenherren 3 (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Corvus
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eine solche Behandlung wohl noch nie erfahren. Die Wucht riss sie weit herum, bevor sie auf den Boden schlug. Sofort eilten einige Edle hinzu, um sich schützend vor sie zu stellen.
    »Haltet ein!«, rief Nalaji und hob eine Hand. Sie lauschte auf die Trommelschläge, die von den Hügeln im Osten herüberdrangen. »Es beginnt.« Als sie auf den Balkon hinaustrat, sah sie, dass die Sonne nun gänzlich im Meer hinter den beiden Festungen, die die Durchfahrt bewachten, untergegangen war. Sie blickte über die Schiffe im Hafen und hinauf zum Himmel, an dem Stygron voll und rot prangte, umgeben von unzähligen Sternen. Einige wurden von zerfaserten Wolken verdeckt, die träge nach Südosten zogen. Das wird sich bald ändern.
    Silion und Vejata verbargen sich unter dem Horizont. Nalaji konnte sich ganz auf Stygron konzentrieren. Sie griff um das Geländer und wandte den Blick nicht mehr von der roten Scheibe. Sie ließ sich vom Mondlicht baden, das so viel gnädiger war als das der Sonne, die man am höchsten Stand ihres Laufs nicht lange ansehen konnte, ohne zu erblinden. Die Mondmutter hatte Verständnis für den Wankelmut der Menschen, dafür, dass es viele Umstände gab, die ein Leben beeinflussten. Stygron, Vejata, Silion. Die Monde begleiteten jeden Menschen durch die Nächte seines Lebens, und auch wenn sie unsichtbar am Taghimmel wanderten, beeinflussten sie die Gezeiten. Sie waren unbeständig, nahmen zu und ab und waren sich nur selten einig, befanden sich kaum einmal alle in der gleichen Phase.
    In dieser Nacht regierte Stygron. Es war eine Rote Nacht, eine Nacht, in der in Nalajis Heimat neue Paladine für die Mondschwerter erwählt werden konnten. In einer solchen Nacht war Narron von Helion besiegt worden, in einer späteren hatte Keliator triumphiert. Es war eine Nacht, in der die Wut stark war, in der sich die Kraft Bahn brach. Eine Blutnacht, wie geschaffen für eine Schlacht.
    Ein letztes Mal zögerte Nalaji. War wirklich rechtens, was sie nun tat? War das der Wille der Mondmutter, die doch so bitterlich über den Frevel weinte, den die Magie darstellte? Ja, es war eine Nacht für einen Kampf, aber es wären Leute wie Keliator, die in den Schlachtreihen stünden. Menschen, die nicht viel von den Plänen der Strategen wussten. Sogar Unschuldige, die geopfert wurden. So war es in jedem Krieg. Nalaji war nicht bei Narron gewesen, als dieser gestorben war. Würde auch ihr Sohn ohne sie sterben? Nach allem, was sie vermuten konnte, wäre er nicht dabei. Nicht in dieser Nacht. Wenn alles nach Plan verlaufen war, befand er sich viel weiter im Süden. Aber die Söhne anderer Mütter würden sterben, mit herausgerissenen Gedärmen verbluten, sich mit zerschmetterten Knochen über den Boden ziehen, um Hilfe zu erflehen, die unerreichbar bliebe.
    Doch Nalaji wusste, dass sie sich bereits entschieden hatte. Jetzt verließen sich alle auf sie. Sie konnte nicht mehr zurück. Sie konnte nur noch helfen, dass möglichst wenige von denen starben, die auf ihrer Seite standen. Jene schützen, die gegen die Osadroi kämpften, gegen die Schattenherren, die Narron getötet hatten.
    Sie fühlte ihren Geist emporgehoben zu dem roten Mond, der den Himmel beherrschte. Seine Oberfläche war ungleichmäßig. Narben waren darauf zu sehen, Schatten von Gebirgen, die gewaltig sein mussten. Abhandlungen waren darüber geschrieben worden. Nalaji hatte sie alle gelesen. Manche Gelehrte wollten Flüsse auf Stygron entdeckt haben oder riesige Wälder, andere behaupteten, er gliche eher den Wüsten der Arriek, nur, dass kein Wind seine Dünen bewegte. Vor zweieinhalb Jahrzehnten hatte ein Blitz sein Rot erhellt, danach hatte man für Wochen einen dunklen Fleck gesehen. Stygron hatte sich verdunkelt und nach zwei Zyklen zu neuer Fülle gefunden. Nalaji umschwebte jetzt den Mond. Aber nicht so, wie er dort am Himmel stand, sondern so, wie er in ihrem Herzen seine Bahn zog. Sie sah zu ihm auf und zugleich in sich hinein. Sie fühlte den behütenden Blick der Mondmutter voller Wohlwollen auf sich ruhen. Die Göttin war mit ihr, trotz der Ungeheuerlichkeit, an der sie sich beteiligte. Gedämpft nur drangen die Gesänge und das Gerassel der anderen Priester zu ihr, die ebenfalls ihre Götter anriefen. Der Stiergehörnte, der Kapitän der Galeeren, die auf dem Meeresgrund fuhren, der Meister der Wolken, sie alle hatten eines gemein: Sie hatten die Welt den Menschen gegeben, nicht den Osadroi. Mochten sie auch in anderen Fragen zerstritten sein, ihr

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