Herr: Die Schattenherren 3 (German Edition)
entgegengestellt hatten. Diese hier bewegten sich schneller, und sie hielten auf die Mauer zu wie Sappeure, zweifellos um sie zu untergraben und zum Einsturz zu bringen. Glücklicherweise schienen Fayé wenig von Festungen zu verstehen, die aus Stein gefügt waren. Ihre Diener müssten viel tiefer graben, um unter die Fundamente zu gelangen.
»Gehen wir«, sagte Bren.
Der schnellste Weg hinab führte über die Wehrgänge nahe der Außenmauer. Bren überlegte, Jittara anzuweisen, eine andere Strecke zu wählen, denn wo immer sie passierten, hielten die Krieger inne und bezeugten ihre Ergebenheit gegenüber dem Schattenherrn. Dadurch hatten sie zwar an allen Engstellen Vorrang und kamen ihrem Ziel schnell näher, behinderten aber auch die Bemühungen der Verteidiger. Bren konnte sich dennoch nicht entschließen, den Weg durch die Säle und Hallen im Innern zu wählen. Die Neugier des Feldherrn war zu groß. Er wollte sehen, wie es um die Schlacht stand, und die Fähigkeiten, die das ondrische Heer bewies, machten ihn stolz.
Über einem Tor, das die Angreifer mit einem Rammbock bestürmten, beobachtete er einen Trupp, der zwei Kessel mit siedendem Öl zu dem vorgeschobenen Gang trug, dessen Boden mit fingerdicken Löchern durchsiebt war. Diese Öffnungen waren zu klein für Pfeile, aber groß genug, um kochende Flüssigkeit auf ungebetene Gäste gießen zu können. Bren hielt inne und bedeutete den Kriegern mit einem Wink, sich nicht durch seine Anwesenheit beirren zu lassen.
Mit der Ruhe gut ausgebildeter Kämpfer warteten die Ondrier ab, bis beide Kessel in Position und die Angreifer so weit unter dem Vorbau waren, dass die Ramme gegen das Tor stieß. Erst dann kippten sie ihre Last aus.
Sofort stiegen die Schreie der Verbrannten zu ihnen auf. Jetzt, so wusste Bren, war ein fester Eisenharnisch eine Todesfalle. Das siedende Öl lief durch die Ritzen, ließ die Haut darunter Blasen werfen. Der Gepanzerte hatte keine Möglichkeit, sich seines fatalen Schutzes zu entledigen, um die kochende Flüssigkeit abzuwischen oder, noch besser, sich im Sand zu wälzen und sie dadurch abzulöschen. Dies war eine der wenigen Situationen, in denen ein Kämpfer froh war, wenn er nur ein wollenes Wams trug.
Bren hörte, wie der Rammbock zu Boden polterte. Seine Ohren ermöglichten ihm sogar, in dem Gekreische das Brechen von Knochen zu vernehmen. Ein paar Schienbeine waren wohl in ungünstigen Positionen gewesen, als die Kameraden beschlossen hatten, ihre Last fallen zu lassen, um im Wortsinne ihre Haut zu retten.
Die Ondrier hielten sich nicht mit Betrachtungen auf. Sie hoben die leeren Kessel an, um sie von Neuem zu füllen.
Doch die Angreifer waren offenbar nicht gewillt, den Trupp ungestraft davonkommen zu lassen. Bren ahnte, dass sterbliche Augen die Gestalt, die sich nun durch die Außenwand drückte, lediglich als schwarzen Schemen wahrnähmen. Er selbst jedoch erkannte ein Gewimmel kleiner, knochenfarbener Spinnen, die so über- und umeinander herkrochen, dass sie eine menschliche Gestalt nachahmten, deren Kopf einem Totenschädel glich. Die leeren Höhlen mussten dennoch etwas erkennen können, denn sie fixierten den ihnen nächsten Krieger. Das Wesen stieß einen Laut aus, wie er auch in den Hallen der Verdammten erklingen mochte. Es spreizte die Arme und stürzte sich auf den Mann, dessen Ausweichbewegung als hilflos stolpernder Versuch endete.
»Unhold!«, rief Bren.
Einige der Spinnen wuselten über den Krieger, als die Gestalt, die sich nun vollständig aus der Wand gelöst hatte, ihn umarmte. Er öffnete den Mund zu einem Schrei, der aber zu einem Gurgeln verkam, als der Unhold ihm den Arm in den Hals rammte. Die vorquellenden Augen des Mannes zeigten pures Entsetzen, das sich auf den Gesichtern seiner Kameraden spiegelte. Sie ergriffen die Flucht.
Der Unhold ließ sein Opfer sinken und machte Anstalten, ihnen nachzusetzen, verharrte aber, nachdem er einige Schritt weit geschwebt war, und ruckte herum. Ehla stand etwas abseits von den anderen, was sie zu einem einfachen Ziel machte. Die Unkreatur schnellte auf sie zu.
Ohne Zögern warf sich Bren dazwischen. Er schlug durch die wimmelnden Spinnenkörper. Obwohl sie ihm kaum Widerstand boten, bemerkte der Unhold die Attacke und wandte sich nun ihm zu. Die dürftige Mimik des aus übereinander krabbelnden Leibern gebildeten Gesichts zeigte Verwirrung. Hatte Brens Gegner Mühe, ihn wahrzunehmen?
Bren schlug erneut zu. Seine Klaue drang am Bauch in den Unhold ein
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