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Herr Klee und Herr Feld | Roman

Herr Klee und Herr Feld | Roman

Titel: Herr Klee und Herr Feld | Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michel Bergmann
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argumentierte Alfred, müsse er sich informieren, wer was macht, denn vielleicht gäbe es ein Filmprojekt, wo genau ein Schauspieler wie er gefragt war. Dem wollte Moritz nicht widersprechen, im Gegenteil, es hätte ihn froh gemacht, wenn Alfred mal wieder einen Job gehabt hätte. Das würde seinem Ego guttun.

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    5
    »Niveauvolle Hausdame gesucht. 2 gutsit. Herren su. ab sof. versierte Haushälterin. Leichte Tätigkeit in Villa, Westend, hübsch. sep. Wohng., Verpflg. inkl., gute Bezahlg., Sa. Nachm. u. So. frei. Chiffre Nr. …«
    So sah die Annonce aus, die Alfred über den Tresen schob. Die junge Frau in der Anzeigenannahme fühlte sich gestört und sah Alfred missmutig an.
    Guten Tag, sagte er freundlich.
    Keine Reaktion. Die Frau sah sich den Text emotionslos an.
    Soll das so bleiben?
    Haben Sie einen besseren Vorschlag?
    Wir könnten die Hausdame fetter machen.
    Okay, meinetwegen, machen Sie sie fetter.
    Wie oft soll das Inserat erscheinen?
    Ich würde es gern mit einem Mal versuchen, in der nächsten Wochenendausgabe.
    Holen Sie die eingehende Post ab oder sollen wir die zuschicken?
    Bitte zuschicken.
    Das macht dann 42  Euro.
    Alfred bezahlte.
    Vielen Dank.
    Die Frau schwieg.
    Als er vor die Tür trat, in den kühlen aber sonnigen Mai, musste er plötzlich an David denken. Was hätte der dieser unfreundlichen Annoncentante erzählt?
    Er hätte sie zuerst gefragt:
    Sagen Sie, foltert man Sie heimlich im Keller, damit Sie hier arbeiten?
    Da hätte sie schon mal doof geguckt.
    Glauben Sie nicht, dass ein Lächeln helfen könnte, den Kunden froh zu stimmen? Frohe Kunden kaufen mehr. Ich zeige Ihnen mal, wie das geht.
    Und schon hätte er hinter dem Tresen gesessen. Sprechen Sie Leute immer mit dem Namen an, hätte er ihr geraten, das schafft Vertrauen. David hätte am Ende eine große Anzeige mit Foto und Rand und einem unwiderstehlichen Text zusammengestellt für 420  Euro und der Kunde wäre glücklich gewesen.
    So ging er los. Diese Tussi würde ihm nicht den Tag verderben.
    Er war sommerlich gekleidet, ein wenig dandyhaft. Mit Ray-Ban-Brille und seidenem Tuch, um den Hals zu kaschieren. Er schaute zwei jungen Mädchen nach, die in fast durchsichtigen Kleidchen an ihm vorbeistöckelten.
    Als er in die Fressgasse einbog, die nur wegen der Fressgeschäfte, die es dort von jeher gab, so genannt wurde, überkam ihn ein nostalgisches Gefühl. Es war Frühling, die Sonne schien. Stühle, Tische und Sonnenschirme standen vor den Restaurants und Cafés. Er kannte diese Straße schon, als es noch keine Fußgängerzone gab, als er hier die Welt aus Davids Wohnzimmerfenster im ersten Stock über Feinkost Plöger beobachten konnte. Als Autos, Motorräder mit Seitenwagen, Brauereikutschen und Handkarren durch die Straße fuhren. Als kräftige Männer mit Lederlappen auf den Schultern und Haken in den Händen Stangeneis in die Gastwirtschaften schleppten. Das »Café Libelle« gab es damals, wo heute die Apotheke ist. »Zum Onkel Max« hieß eine der Kneipen. Sie gehörte Max Althans, einem Bekannten von David. Daneben das Wolllädchen mit der attraktiven Besitzerin, das gab es schon ewig.
    Alfred setzte sich vors »Café Schwille«, das ebenfalls eine Institution war, und beobachtete Gäste und Passanten.
    Neumütter mit selbstgefälligem Lächeln, ob ihrer grandiosen Gebärleistung, standen neben martialischen Kinderwagen mit riesigen Gummireifen, die Kinder bis zu zwei Tonnen tragen konnten und den Bürgersteig blockierten. Sie plauderten mit frischgebackenen Vätern, die Babys vor die Brust geschnallt, im Kinderwagen der Bio-Einkauf. An den Tischen smarte Businesstypen mit rasierten Schädeln, selbstbewusste Frauen hinter Sonnenbrillen. Selten, dass mehrere Leute beieinander saßen, die meisten hockten allein vor ihrer »Latte«. Wir leben in einer Welt der Autisten, dachte Alfred, als er die einsamen Gestalten sah, die entweder telefonierten oder auf ihre Smartphones starrten, mit flinken Fingern simsten oder mit dem iPad im Internet unterwegs waren.
    Die hübsche, dunkelhäutige Kellnerin kam und räumte ein paar leere Tassen weg, die noch auf dem Tisch standen.
    Und, was darf es sein?
    Drei Kugeln Eis, sagte Alfred, Vanille, Schokolade, Erdbeere. Und ein Glas Wasser, bitte.
    Das Eis mit Sahne? Sie lächelte.
    Überredet.
     
    Als Moritz das Haus verließ und schon auf der Straße war, fiel ihm der Briefkasten ein. Frau Stöcklein hatte sich immer um die Post gekümmert, aber jetzt war alles anders. Moritz

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