Herr Klee und Herr Feld | Roman
ging zurück und schloss den Briefkasten auf. Ein paar Briefe, Rechnungen, Werbung, das UC -Berkeley-Magazin, das er regelmäßig erhielt und für das er hin und wieder einen Beitrag schrieb. Was war das? Moritz ärgerte sich. Wieder ein Buch von Amazon. Wie oft hatte er Alfred gebeten, zu der Buchhandlung im Grüneburgweg zu gehen? Die sollte man unterstützen. Außerdem bekam man dort ein bestelltes Buch schneller als bei Amazon.
Er legte die Post wieder zurück.
Vor dem Nachbargebäude war Tom damit beschäftigt, die Räder seines Mountainbikes aufzupumpen.
Tag, Tom.
Der Junge grüßte kurz.
Hi.
Es ist mir unangenehm, aber …
Programmierung im Arsch.
Wie konntest du das nur wissen?, flachste Moritz.
Der Junge grinste.
Okay, ich komme nachher vorbei. So gegen sieben. Ist das okay?
Das ist so was von okay, sagte Moritz.
Nach ein paar Minuten überquerte er die Bockenheimer Landstraße und begab sich in die Bio-Bäckerei an der Ecke. Dort bestellte er ein Brot, das er in zwei Stunden abholen würde.
Direkt hinter dem Eingang zum Park gab es das kleine Café, das nur bei schönem Wetter geöffnet hatte. Weiße Plastiktische und Stühle standen auf der nahen Wiese herum, an einer Theke konnte man bestellen und sich selbst bedienen. Die Auswahl war überschaubar: Kaffee, Tee, Kuchen, Eis, Limo und Wasser. Einen preiswerten Riesling und einen Merlot gab es auch. Hier kam Moritz ab und zu mit Alfred her, dann setzten sie sich so, dass sie das Treiben auf der Wiese beobachten konnten, und was zu lästern gab es immer. Die Muttis, die Hunde, die Kinder, die halb nackten Teenies, die Fußballspieler, die Spanner und Spinner.
Moritz lächelte. Ja, manchmal war das Zusammensein mit seinem Bruder kurzweilig. Er konnte durchaus originell sein. Nur leider war er ein kapriziöser Mensch und sein lebenslanger beruflicher Teilerfolg hatte ihn sarkastisch werden lassen. Wie jeder nicht geniale Schauspieler überschätzte er sich und unterschätzte die anderen. Bekam er eine Rolle nicht, um die er sich beworben hatte, so lag es nie an seinen schauspielerischen Fähigkeiten, sondern daran, dass sein siegreicher Konkurrent natürlich mit der Produktion gekungelt hatte. Er wusste genau, was sich backstage abspielte. Aber an solch finsteren Machenschaften konnte und wollte er sich nie beteiligen. So redete sich Freddy Clay seine Misserfolge schön.
Moritz hatte sich einen Kaffee genommen und sich gerade auf einem der zahlreichen Plastikstühle niedergelassen, als er sie sah! Sie ging am Stock, aber kerzengerade und aufrecht. Sie trug eine Dior-Sonnenbrille und einen eleganten Hermès-Schal zum edlen Nerzmantel. Sie setzte ihre Schritte vorsichtig, die Wiese war uneben. Moritz erhob sich, ging auf sie zu.
Frau Holzmann, wie schön, Sie mal wiederzusehen.
Sie blieb stehen, sah ihn an.
Professor Kleefeld!
Bleiben wir bei »Moritz«.
Er schüttelte ihr die behandschuhte Hand. Ihr Schmuck klapperte.
Wie geht es Ihnen, Frau Holzmann?
Danke, ich kann nicht klagen. Ich bin dreiundneunzig.
Dass alte Leute immer mit ihrem Alter kokettieren, dachte Moritz, als hätten sie den Nobelpreis dafür bekommen. Natürlich erwartete Else Holzmann, dass Moritz sagte:
Was? Das sieht man Ihnen nicht an. Unberufen, kol hakavot.
Was er auch brav tat.
Sie lächelte.
Möchten Sie sich setzen?
Ich weiß nicht, vielleicht ist es etwas zu kalt.
Ich kann Ihnen eine Decke holen. Die haben Decken hier.
Ach was, ich habe ja mein Winterfell.
Langsam nahm sie Platz.
Möchten Sie etwas trinken?
Danke, ich bleibe nicht lang. Aber einmal am Tag muss ich an die Luft.
Dann wurde sie ganz sanft:
Auf die Luft, wie mein Max, Gott hab ihn selig, immer gesagt hat.
Sie lächelte.
Er hat Sie gemocht, Moritz. Und auch Ihren Bruder. Wie geht es Freddy?
Es geht ihm gut. Er lebt jetzt hier bei mir.
Ach? Wie kann man weggehen aus … er war doch in Rom, oder?
Ja, aber es ist ganz schön, im Alter, wenn man jemanden hat.
Sie wurde nachdenklich und sagte nach einer Pause:
Da haben Sie recht. Meine Enkeltochter studiert in Harvard. Sie waren doch in Harvard?
Nein, Berkeley.
Mein Micky lebt in Berlin seit ein paar Jahren.
Ich weiß. Und wie läuft das mit der Hausverwaltung?
Na ja, um die kümmert er sich nach wie vor. Heute mit dem Internet ist das kein Problem. Und einmal im Monat ist er hier. Er hat ein eigenes Flugzeug.
Selbstverständlich, sagte Moritz.
Sie sah ihn an.
Wie geht es Ihnen? Ohne Ihre Fanny?
Was soll ich dazu sagen? Es gibt
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