Herr Klee und Herr Feld | Roman
Emanuel Blum?
Blum, Blum, antwortete Moritz nachdenklich, ja, ich erinnere mich, eine schreckliche Geschichte.
Gegen vier Uhr nachmittags kam Zamira mit einem Tablett auf die Terrasse. Im Garten war Moritz dabei, seine Rosen zu beschneiden.
Alfred sagte, ohne von der Zeitung aufzuschauen:
Wie gefällt es Ihnen bei uns? Im Jurassic Park!
Es ist okay.
Warum lügen Sie?
Sie stellte den Tee, Kaffee und Gebäck auf den Tisch.
Ich lüge nie.
Und warum gefällt es Ihnen?
Sie sind nette Herren.
»Alte Herren«, meinen Sie.
Sie wollte gehen.
Zamira. Was hat eine so schöne Person wie Sie hier zu suchen? Bei zwei alten Kackern!
Sie schaute ihn an.
Warum sind Sie so …?
Er zeigte auf einen Sessel.
Setzen Sie sich.
Nein, sagte sie, das möchte ich nicht.
Eindringlich sagte Alfred:
Aber ich. Es ist ein Befehl.
Sie setzte sich auf die breite Lehne des nächsten Sessels.
Ihnen steht die Welt offen. Sie sind jung. Sie sind klug. Warum machen Sie nicht irgendetwas Sinnvolles?
Wollen Sie mir wehtun? Mach ich die Arbeit gern. Lagerkraft bei Aldi ist auch nicht toll!
Jetzt stand er auf. Wieder ganz Schauspieler.
Zamira! Machen Sie etwas Vernünftiges! Vergeuden Sie nicht Ihr Leben. Irgendwann ist es vorbei. Das geht schneller, als Sie denken. Und dann werden Sie es bereuen. Ich weiß, von was ich spreche.
Er beugte sich zu ihr hinunter und kam ihr ganz nah.
Leben Sie!
Sie konnte sich nur noch vor seiner Eindringlichkeit retten, indem sie laut rief:
Herr Kleefeld! Kaffee!
Alfred verzog das Gesicht, wie er es als Vampir oft machen musste, nachdem man ihm das Kruzifix gezeigt hatte.
Sie kapieren nichts!, sagte er. Bleiben Sie eine Magd!
Er setzte sich wieder.
Sie erhob sich und goss Tee ein. Moritz kam und setzte sich.
Kinder, ich sage euch … meine Rosen! Fabelhaft!
Er zog seine Arbeitshandschuhe aus. Alfred griff wieder zur Zeitung und sagte dabei:
Na, dann kriegen wir ja bald Rosenkonfitüre …
Moritz schaute Zamira an, die gerade im Gehen begriffen war, und machte eine entsprechende Gaga-Geste.
Alfred blätterte in seinen Unterlagen, als Zamira mit dem Staubsauger sein Zimmer betrat.
Darf ich?, fragte sie. Geht schnell.
Aber sicher. Ich störe Sie nicht. Wollte eh eine kleine Pause machen.
Er nahm einen Zigarillo und machte sich auf den Weg zu seinem kleinen Balkon.
Es ist kompliziert, wenn ich muss immer Kleefeld sagen. Was halten Sie davon, wenn ich sage Herr Klee?
Gute Idee, aber nur wenn Sie meinen Bruder Feld nennen.
Sie lachte.
Herr Klee und Herr Feld ist gut, sagte sie und zeigte auf das Plakat, Sie heißen ja Clay.
Neben dem Plakat hing das kleine gerahmte Foto einer schönen, dunkelhaarigen Frau.
Ist das eine Schauspielerin?, fragte sie.
Nein, das ist eine Sängerin. Carla Lombardi.
War das … eine Liebe?, wollte Zamira wissen.
Ja, antwortete Alfred, das war eine Liebe …
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9
Carla war die erste große Liebe seines Lebens, er siebzehn, sie zwanzig. David hatte ihnen ab und zu seine Wohnung zur Verfügung gestellt, das war hilfreich. Dann beendete sie mitten im Semester ihre Gesangsausbildung an der Frankfurter Oper, um in eine Meisterklasse an die Mailänder Scala zu wechseln. Anfangs hielten sie noch Kontakt, aber dann begann die Verbindung sich langsam aufzulösen. Carla hatte ihm geschrieben, dass die Entfernung zu groß sei, eine Beziehung aufrechtzuerhalten. Die Zeit verging, er machte sein Abitur und begann mit einer Schauspielausbildung am Frankfurter Theater. Irgendwann erreichte ihn eine Programmkarte der Scala mit der Ankündigung für ein Konzert. Ein paar Wochen später war er in den Zug gestiegen und nach Milano gefahren, um sie nach ihrem ersten Soloauftritt mit einem Blumenstrauß zu überraschen. Er fühlte sich wie in der Novelle von Schnitzler, die er zurzeit an der Schauspielschule einstudierte.
Er stand am Bühnenausgang und konnte über die anderen hinweg auf die Tür blicken. Dann kam sie heraus, ein Blitzlichtgewitter empfing sie – und ein anderer Mann! Er hatte die ganze Zeit neben dem Kerl gestanden, der ebenfalls mit einem Blumenstrauß bewaffnet war. Wieder fiel ihm Schnitzler ein, diesmal aber das Duell aus »Leutnant Gustl«!
Er kämpfte sich zu ihr durch und begrüßte sie. Carla freute sich aufrichtig. Wie selbstverständlich stellte sie ihm ihren Freund Umberto vor, der als ihr Impresario fungierte.
Anstatt diesen Menschen zu fordern, begleitete er beide in eine kleine Trattoria in der Galleria Vittorio Emanuele,
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