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Herr Klee und Herr Feld | Roman

Herr Klee und Herr Feld | Roman

Titel: Herr Klee und Herr Feld | Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michel Bergmann
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für Freddys Unternehmungslust und ihm heimlich zugesagt, ihn mit tausend Mark bei dem italienischen Abenteuer zu unterstützen. Das reichte bei Weitem nicht, denn Alfred hatte die Absicht, sich ein Auto zu kaufen, um damit nach Rom zu fahren. Es machte nicht nur was her, es bot ihm auch einen Schlafplatz, falls er nicht umgehend eine preiswerte Bleibe finden sollte.
    Nachdem er seinen Finanzbedarf auf etwa fünftausend Mark kalkuliert hatte, brauchte er einen Job, der ihn zügig reich machen konnte. Da gab es nur einen: Pizzafahrer bei Blackwood!
    Als Alfreds Pizzakarriere begann, arbeiteten bei Blackwood drei Fahrer:
    Simon Kornblum, ein jüdischer Architekturstudent, dessen Vater einer der frühen Immobilienkönige wurde und Wert darauf legte, dass sein Sohn kein »fils à papa« würde und sich nicht zu schade wäre, ganz unten in der »Kohlenmine« sein Geld zu verdienen.
    Mir hat man was geschenkt?, war ein beliebter Ausspruch des alten Kornblum.
    Simon war wohlerzogen und bekam von Blackwood in der Regel die Fahrten zur Frankfurter Hautevolee zugewiesen: zu den Neureichen, zu Konsulaten, Konzernniederlassungen, zur Universität, zu den Verlagen oder zum Hessischen Rundfunk. Hier war der junge Kornblum gern gesehen.
    Ganz anders dagegen Hermann Rau! Ein Hüne von Kerl, ein früher Rocker mit der Figur eines Schwergewichtlers. Wortkarg und immer schlecht drauf. Er bekam die kritischen Touren ins Frankfurter Bahnhofsviertel, in die Bars und Bordelle, in die Unterwelt. Es kam nicht selten vor, dass »Herman, the German«, wie ihn die Amis nannten, sich sein Geld auf recht unkonventionelle Weise verdienen musste, indem er es zahlungsunwilligen Türstehern oder besoffenen Zuhältern aus der Tasche prügelte.
    Nummer drei war »Bimbo« Ewald. Bimbo, der eigentlich Lothar hieß, war ein kleiner, vogelhafter Mensch, der trotz seiner geringen Körpergröße noch mit gekrümmtem Rücken umherspazierte und dadurch kaum sichtbar war. Es passte zu seinem Biedermeiertyp, dass er großen Wert auf eine gepflegte, um nicht zu sagen altmodische, Sprache legte: Nun denn also, wohlan, frischauf, potz Blitz, sei’s drum – das war seine Ausdrucksweise, die er kultivierte und mit der keiner was anfangen konnte, am wenigsten Blackwood, der ihn für »a rachmunes« hielt, für einen bemitleidenswerten Menschen. Dabei war Bimbo ein begabter Trompeter und spielte in einer Jazzcombo und mit etwas mehr Ehrgeiz hätte er ein deutscher Chet Baker werden können. Sei’s drum.
    Herr Blackwood war begeistert, dass Alfred bei ihm als Fahrer arbeiten wollte und investierte in einen vierten VW Käfer. Diese Fahrzeuge waren von Raimund Rübsam, einem Schrauber mit kleiner Werkstatt um die Ecke, eigens fürs Bologna umgebaut worden. Es gab keinen Beifahrersitz, dafür eine spezielle Fixierung für eine Blechtonne, in der die Pizzas und andere Speisen warm gehalten wurden. So eine Thermostonne hatte zwölf horizontal ausklappbare runde Bleche, auf denen die Pappscheiben mit Pizzas lagen oder die Teller mit den Teigwaren. Oben befand sich eine Lederschlaufe für den Transport. Anstelle der Rückbank gab es Vorrichtungen für zwei zusätzliche Tonnen, denn in den US -Kasernen kam es nicht selten zu Massenbestellungen.
    Alfreds Arbeit als Pizzafahrer begann mit einer Aufnahmeprüfung. Er musste in Begleitung von Herrn Blackwood einmal um den Block fahren und am Ende vor dem Lokal rückwärts einparken. Da der Käfer nur den Fahrersitz hatte, saß der Boss neben Alfred auf dem Boden des Autos und gab seine Anweisungen. Blackwood sprach Englisch mit Alfred, oder das, was er für Englisch hielt, denn er sprach es stets als eine Melange aus Frankfurterisch und Jiddisch.
    Drive los now, rief er. And stop at the Ampel. Gib a kick nach links and go on. Not so schnell, will you kill us. Look at this potz in front of us. Überhol him! What are you waiting for? Schluf nich ein! Du willst sein a driver, then you must drive! The most important ist: dass die Pizzas not werden cold. A cold Pizza, you will get an den Kopp. Mit Recht! Okay, you made it! Die Prüfung war beendet. Von nun an verdiente Alfred zwei Mark fünfzig pro Stunde.
    Mit Komplimenten war Blackwood sparsam. Keine Nörgelei war bereits eine Auszeichnung. Egal, wie schnell seine Fahrer fuhren, sie waren immer zu lahm. Gleichgültig, ob sie bis zum Umfallen arbeiteten, alle waren Faulenzer. Nur an Alfred hatte Blackwood einen Narren gefressen. Weil er Englisch sprach. Bereits nach ein paar Tagen

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