Herr Klee und Herr Feld | Roman
Tisch in der Ecke standen zwei Cognacgläser und eine Flasche Rémy Martin. Trindel saß in einem Klubsessel und paffte eine Romeo y Julieta. Er bot Moritz eine Zigarre an, der dankend ablehnte. Dann tranken sie Cognac. Trindel ermahnte Moritz, so wie er es bereits am Morgen in der Synagoge getan hatte, seine einzige Tochter Fanny, diesen wertvollen, verletzlichen Menschen, die Güte des Herzens in Person, das Licht seiner Augen, zu ehren und zu achten und ihr in jeder Beziehung ein liebender Gatte zu sein. Und sie umgehend zur Mutter zu machen. Das sei ihre Bestimmung. Und wenn man, was er durchaus verstehen könne, denn irgendwann erlösche jedes Feuer einmal, also wenn man wirklich nebenbei eine andere, man sei ja nicht aus Holz, er wisse sehr gut, von was er rede, dann dürfe das die sensible Fanny niemals erfahren, das gehöre sich nicht als Gentleman. Moritz versprach es. Trindel griff in die Innentasche seines Smokings, holte einen Scheck raus und erhob sich.
Mazl und broche, sagte er, küsste Moritz auf die Stirn und drückte ihm den Scheck in die Hand.
Dann verließ er den Klubraum.
Moritz war noch in Gedanken, als er zu Zamira sagte:
Von dem Geld erwarben wir dieses Haus. So, jetzt wissen Sie eine ganze Menge über mich, fügte er an.
Ist das schlimm?
Nein, sagte Moritz.
Wieso erzähle ich ihr das alles, dachte er gleichzeitig.
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12
Als Moritz und Alfred in der folgenden Woche aus der Stadt nach Hause kamen, waren sie kaum imstande, die Haustür zu öffnen, denn der Flur war mit Möbeln zugestellt.
Zamira!, riefen sie.
Ja?, kam es aus dem Salon zurück.
Wir kommen hier nicht durch, sagte Moritz.
Versuchen Sie es, war die Antwort des Hausmädchens.
Bevor Alfred begann, sich zwischen den Möbeln durchzuquetschen, rief Moritz:
Geben Sie uns den Garagenschlüssel! Wir kommen durch die Garage.
Kann ich den nicht finden, sagte Zamira.
Also begann auch Moritz seinen Weg durch den Hindernisparcours.
Als sie schließlich, zum Teil auf allen vieren, Tische und Stühle überwunden hatten und atemlos im Salon standen, erblickten sie Zamira, die gemütlich im Schneidersitz inmitten von diversen Sofakissen auf dem Teppich hockte, vor sich ein Tablett mit Stövchen, Teekanne, drei Teetassen und Gebäck. Die Brüder sahen sich ratlos an, was sollte das denn werden?
So geht es uns im Westjordanland jeden Tag, sagte Zamira.
Mit einem umwerfenden Lächeln machte sie eine einladende Handbewegung: Teatime, meine Herren. Während die beiden etwas unbeholfen auf den Kissen Platz nahmen und Zamira allen Tee einschenkte, begann sie:
Ich wollte, dass Sie sich auch mal in unsere Situation versetzen. Wir waren immer unterdrückt …
Am Ende des 19 . Jahrhunderts gehörte die Stadt Hebron zum Osmanischen Reich. Es gab viele Schikanen. Den türkischen Besatzern war das Schicksal der Menschen gleichgültig. Zu dieser Zeit waren viele Verwandte in die USA ausgewandert, wo sie es zu bescheidenem Wohlstand brachten.
Nach 1930 , als die Flucht der europäischen Juden nach Palästina begann, war Hebron britisches Mandatsgebiet. Die Familie Latif lebte bis dahin in gutem Einvernehmen mit ihren wenigen jüdischen Nachbarn. Zamiras Großvater Ibrahim Latif war Bürgermeister der Stadt und für seine versöhnliche Politik bekannt. Das wurde ihm zum Verhängnis, denn er wurde von arabischen Nationalisten ermordet. Nach der Gründung des Staates Israel und dem damit verbundenen Krieg von 1948 wurde Hebron jordanisches Hoheitsgebiet. In den neunzehn Jahren bis zum Sechs-Tage-Krieg wurde von jordanischer Seite nichts unternommen, die Lebensbedingungen der Menschen in Hebron zu verbessern. Ein Teil von Zamiras Familie zog nach Beirut.
Mit der israelischen Besatzung änderte sich das Leben der Menschen in Hebron schlagartig. Die Menschen waren nun neuen Ungerechtigkeiten und größeren Schikanen ausgesetzt.
Ich war neun Jahre, sagte Zamira, als zwei Cousins mit siebenundzwanzig Männern vom jüdischen Attentäter Goldstein erschossen wurden, in einer Moschee.
Alfred und Moritz schwiegen.
Vielleicht verstehen Sie jetzt, warum ich die Israelis nicht mag.
Hilf mir hoch, sagte Moritz zu seinem Bruder und streckte die Hand aus.
Noch in derselben Nacht, als die »senile Bettflucht« sie im Badezimmer zusammenführte, sprachen die Brüder über Zamira. Alfred saß auf dem Klodeckel, Moritz auf dem Rand der Badewanne.
Ich kann nicht schlafen.
Ich auch nicht.
Wir müssen uns damit abfinden, sagte Alfred, sie
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